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Wiederentdeckung einer ausgestorben geglaubten Population der Baleareneidechse, Podarcis lilfordi (GÜNTHER, 1874) auf der Illa de Ses Mones (Balearen, Menorca, Spanien) in Sympatrie mit der Ruineneidechse, Podarcis siculus (RAFINESQUE-SCHMALTZ, 1810)

MARTEN VAN DEN BERG & MIKE ZAWADZKI, November 2010

Zusammenfassung
Es wird über die Wiederentdeckung einer Population der Baleareneidechse (Podarcis lilfordi) auf der im Hafen von Port d`Addaia gelegenen Insel Illa de Ses Mones berichtet, von der man annahm, sie sei in den 1990er-Jahren durch die eingeschleppte Ruineneidechse (Podarcis siculus) verdrängt worden. Neben Informationen zur Illa des Ses Mones wird zum ersten Mal über ein sympatrisches Vorkommen von P. lilfordi und P. siculus berichtet und die hier lebenden Eidechsen erstmalig beschrieben und abgebildet. Weiterhin wird auf die in der Literatur häufige Verwechslung der Insel Illot d'en Carbó mit der Illa des Ses Mones hingewiesen und schließlich die taxonomische Stellung der wiederentdeckten Podarcis lilfordi von der Illa de Ses Mones diskutiert.

Summary
It is reported about the rediscovery of a population of the Balearic Lizard (Podarcis lilfordi) on the Illa de Ses Mones in the harbour of Port d´Addaia. This population has been considered to have become extinct during the 1990s due to the introduction of the Italian Wall Lizard (Podarcis siculus). Descriptions of the island and the lizards are given and for the first time it is reported about the sympatric occurrence of Podarcis lilfordi and P. siculus. Because in quite a lot of publications the nearby Illot d´en Carbó has been confused with the Illa de Ses Mones the taxonomic status of the rediscovered Podarcis lilfordi population from the Illa de Ses Mones is discussed in this paper.

Einleitung

Die Baleareneidechse, Podarcis lilfordi (GÜNTHER, 1874), ist ein Endemit des balearischen Archipels, wo sie die meisten der den beiden Hauptinseln Mallorca und Menorca vorgelagerten Eilande sowie die Inseln des südlich von Mallorca gelegenen Cabrera-Archipels bewohnt. Obwohl Podarcis lilfordi auf diesen Inseln und kleinsten Eilanden oft in beträchtlicher Anzahl vorkommt, fehlt sie jedoch auf Mallorca und Menorca. Als Ursachen für das Aussterben von Podarcis lilfordi auf den beiden Hauptinseln werden u. a. eingeschleppte Fressfeinde, die mit der Ankunft der ersten Menschen vor etwa 2.000 Jahren eingeschleppt wurden (EISENTRAUT 1949 a, b; MERTENS 1957; PEREZ-MELLADO 1997 ) sowie für Menorca auch die Konkurrenz durch die eingeschleppte Ruineneidechse, Podarcis siculus, und die Brilleneidechse, Teira perspicillata, angegeben (COLOM 1957, PEREZ-MELLADO 1997).

In jüngster Vergangenheit kam es auch zum Aussterben von zwei Inselpopulationen vor Menorcas Küste: Die Population von Podarcis lilfordi rodriquezi (MÜLLER, 1927) von der ehemals in der Bucht von Mahon liegenden Illa Ratas, die 1935 gesprengt wurde, um die Hafeneinfahrt zu erweitern (PEREZ-MELLADO 1989), sowie die Population der Illa de Ses Mones, die in den 1990er-Jahren von der eingeschleppten Podarcis siculus verdrängt worden sein soll (PEREZ-MELLADO 2002, 2005).

Abb. 1: Lage der Inseln in der Bucht von Port d´Addaia.

Die Illa de Ses Mones (Abb. 2) befindet sich im Hafen von Port d`Addaia (siehe Abb. 1) und ist nur durch einen etwa 15 m breiten und seichten Kanal von ca. 1,5 m Tiefe von der Küste Menorcas getrennt (eigene Beob.). Die Insel weist eine Oberfläche von 0,74 ha sowie eine maximale Höhe von 16,32 m auf (OBSERVATORI SOCIOAMBIENTAL DE MENORCA 2007). Ses Mones ist größtenteils mit Mastixsträuchern (Pistacia lentiscus), einigen Pinien sowie der üblichen mediterranen Strauchvegetation bewachsen (Abb. 3). Nach PEREZ-MELLADO (2002) war die Insel für einige Zeit künstlich mit Menorcas Küste verbunden, jedoch konnten wir keine Spuren einer solchen Verbindung mehr entdecken.

Erstmalig erwähnt PEREZ-MELLADO (1989) eine kleine unbeschriebene Eidechsenpopulation von der Illa de Ses Mones. Allerdings wird die Insel in dieser Arbeit „Isla de Port d`Addaia“ genannt und der Name „Illa de Ses Mones“ fälschlicherweise für die weiter draußen vor der Hafeneinfahrt von Port d`Addaia gelegene Illot d`en Carbó verwendet. Später wurden die Eidechsen von der Illa de Ses Mones ohne nähere Erklärung zur Unterart Podarcis lilfordi addayae (EISENTRAUT, 1928) gestellt (PEREZ-MELLADO 1997). Diese Unterart bewohnt die Inseln Illa Gran d´Addaia, Illa Petita d´Addaia sowie Illot de Ses Àligues, die alle vor der Hafeneinfahrt von Port d´Addaia im Nordosten Menorcas liegen (EISENTRAUT 1928, 1930; PÉREZ-MELLADO & SALVADOR 1988). Nach PEREZ-MELLADO (2002, 2005) soll die Population von Podarcis lilfordi auf der Illa de Ses Mones dann um 1995 infolge der Einschleppung von Podarcis siculus ausgestorben sein.


Untersuchungen und Ergebnisse

Insgesamt konnten wir die Illa de Ses Mones acht Mal aufsuchen (7. und 10. Juni 2009, 09.05.–12.05.2010 sowie 02.09. und 03.09.2010), um hier zu untersuchen, ob die eingewanderte Podarcis siculus die ursprüngliche Population von Podarcis lilfordi wirklich verdrängen konnte. Dabei versuchten wir, jede gesichtete Eidechse zu fotografieren, um diese später individuell zu unterscheiden und den Fundort auf der Insel zu notieren. Zu unserer Überraschung handelte es sich bei allen anfangs gesichteten Eidechsen ausschließlich um Podarcis lilfordi. Trotz intensiver Suche konnten wir erst am 11. Mai 2010, also bei der fünften Begehung der Insel, die ersten Exemplare von Podarcis siculus sichten. Da die Oberfläche der Illa de Ses Mones größtenteils mit Pistacia lentiscus bewachsen ist, beschränkten sich unsere Untersuchungen auf die Uferbereiche sowie das Plateau der Insel. Insgesamt konnten wir 39 Exemplare von Podarcis lilfordi identifizieren: 15 Männchen, 10 Weibchen, 6 Tiere unbekannten Geschlechts sowie 8 juvenile Exemplare.

Die Anzahl der gesichteten Podarcis siculus war bedeutend niedriger: Hier konnten wir lediglich 5 Exemplare (3 Männchen, 2 Weibchen) beobachten. Außerdem fanden wir einige Mauergeckos (Tarentola mauritanica), konnten aber keinen Hinweis auf ein Vorkommen des Europäischen Halbfingergeckos (Hemidactylus turcicus) auf der Illa de Ses Mones finden.

Die tatsächliche Populationsgröße von Podarcis lilfordi auf der Illa de Ses Mones dürfte noch um einiges höher liegen als die von uns gesichtete Anzahl an Exemplaren, da viele Bereiche der Insel aufgrund der starken Vegetation und recht steilen Abhänge nicht begeh- und einsehbar waren. Insgesamt dürfte die Population sicherlich aus mindesten 60 bis vielleicht 80 Tieren bestehen. Die Anzahl der auf Ses Mones lebenden Podarcis siculus, die wir übrigens nur im nahen Uferbereich, nicht aber auf den höher gelegenen Arealen der Insel antrafen, dürfte weitaus geringer sein und die Anzahl von 10 Tieren nicht übersteigen.

Bei den Podarcis lilfordi von der Illa de Ses Mones handelt es sich um eine mittelgroße und robuste Form, die recht variabel gefärbt und gezeichnet ist. Die Grundfärbung reicht von einem hellen Braun über Orangebraun bis hin zu Dunkelbraun, wobei in beiden Geschlechtern olivgrüne bis grüne Töne auf der Rückenmitte vorherrschen können. Die schwarzen Rückenlinien sind bei den meisten Tieren deutlich sichtbar, wobei das Occipitalband meist durchgehend, die Parietalbänder hingegen häufig unterbrochen oder aufgelöst sind.


Diskussion

Laut PEREZ-MELLADO (2002, 2005) soll die eingewanderte Podarcis siculus in einem Zeitraum von nur 15 Jahren die zuvor auf der Illa de Ses Mones lebende Population von Podarcis lilfordi komplett verdrängt und damit in den 1990er-Jahren deren Aussterben versursacht haben. Mit der Wiederentdeckung der Population von Podarcis lilfordi auf der Illa de Ses Mones hat sich diese Aussage nun glücklicherweise als falsch herausgestellt. Da wir auf der Illa de Ses Mones zudem auch noch Podarcis siculus angetroffen haben, ist dies auch zugleich der erste Nachweis eines sympatrischen Vorkommens von P. lilfordi und P. siculus überhaupt. Obwohl Letztere als großwüchsige, aggressive und opportunistische Art bekannt ist (OLMEDO 1997; PEREZ-MELLADO et al. 2000 zitiert in PLEGUEZUELOS 2004), hat sie es entgegen der bisherigen Meldungen nicht geschafft, die endemische P. lilfordi auf der Illa de Ses Mones zu verdrängen. In der Tat ist die Anzahl der gesichteten P. lilfordi um ein Vielfaches höher als die der eingewanderten P. siculus, von der wir trotz intensiver Suche insgesamt nur 5 Exemplare antreffen konnten. Hierfür sind unserer Ansicht nach nicht etwa für P. siculus ungünstige Lebensbedingungen auf der Insel verantwortlich, sondern vielmehr die starke Konkurrenz durch die autochthone P. lilfordi.

In zwei Fällen konnten wir jeweils eine direkte Begegnung zwischen Tieren beider Arten registrieren. Im ersten Fall sahen wir, wie ein adultes Männchen von P. lilfordi ein größeres und kräftigeres Männchen von P. siculus aggressiv verfolgte. Bei der anderen Begegnung war es sogar ein Weibchen von P. lilfordi, das ein größeres Männchen von P. siculus vehement verjagte. Dieses aggressive Verhalten könnte der Grund dafür sein, dass die zugewanderte P. siculus nur in geringen Stückzahlen auf der Insel anzutreffen ist. Anhand dieser Beobachtungen ist es nur schwer vorstellbar, dass P. siculus eine Rolle beim Aussterben von P. lilfordi auf der Hauptinsel Menorca gespielt haben könnte, zumal auf Mallorca, wo P. lilfordi ebenfalls als ausgestorben gilt, die Ruineneidechse erst kürzlich eingeschleppt wurde (ZAWADZKI & SEEMANN 2009). Dennoch könnten Langzeituntersuchung der sympatrischen Population auf der Illa de Ses Mones klären, welches Gefahrenpotenzial möglicherweise von der als invasiv geltenden P. siculus für andere endemische Eidechsenpopulationen ausgeht.

Bei unseren Literaturrecherchen stellten wir fest, dass in allen Fällen, in denen Ses Mones erwähnt wurde, tatsächlich En Carbó gemeint war (PÉREZ-MELLADO & SALVADOR 1988; PÉREZ-MELLADO 1989; PÉREZ-MELLADO & CORTI 1993; MAYOL 1997). Obwohl sich beide Inseln im Hafen bzw. vor der Hafeneinfahrt von Port d`Addaia im Nordosten von Menorca befinden, ließ sich anhand der in den jeweiligen Arbeiten gemachten Angaben zur Insel – und hier besonders bei der Höhe der Insel bzw. deren Entfernung zur Küste – genau feststellen, dass die Inselnamen nicht korrekt zugeordnet wurden. Das erste Mal, dass P. lilfordi addayae von der Illa de Ses Mones erwähnt wurde, war bei PÉREZ-MELLADO (1997), allerdings ohne jegliche geografischen Anhaltspunkte, weswegen wir davon ausgehen, dass auch hier wieder En Carbó gemeint war. Dies trifft genauso auf die Angabe von SALVADOR & PLEGUEZUELOS (2002) zu, die die Population von Ses Mones ebenso zu P. lilfordi addayae stellen.

Die ersten Arbeiten, in der die geografische Lage mit den tatsächlichen Gegebenheiten übereinstimmen, sind die von PÉREZ-MELLADO (2002), was durch die Bemerkung, dass die Insel mit Menorcas Küste verbunden war, ersichtlich ist und nur auf Ses Mones, nicht aber auf En Carbó zutrifft, sowie PÉREZ-MELLADO et al. (2002), wo die Lage von En Carbó ganz eindeutig beschrieben wird. Aufgrund der vorherigen Verwechslungen der beiden Inseln in der oben aufgeführten Literatur war auch die taxonomische Stellung der Eidechsenpopulation von der fälschlicherweise „Ses Mones“ genannten Illot d'en Carbó verwirrend. PEREZ-MELLADO & SALVADOR (1988) beschrieben anhand einer im Zoologischen Forschungsmuseum Alexander Koenig in Bonn hinterlegten Serie von 8 Eidechsen (4,4), die 1933 von K. Grün auf einer Insel Namens „Carbonera“ bei Menorca gesammelt wurden, die Unterart Podarcis lilfordi carbonerae, ohne jedoch die genaue Lage der Insel zu kennen. Kurioserweise stellten die beiden Autoren in derselben Arbeit drei juvenile Exemplare von der Insel „A3“, die, wie sich später herausstellte, mit der Illot d'en Carbó (= Carbonera) identisch ist, zu Podarcis lilfordi addayae. Über die Wiederentdeckung der P. lilfordi carbonerae und die genaue geografische Lage der „Isla Carbonera“ (= En Carbó) berichteten dann PEREZ-MELLADO et al. (2002). Damit einhergehend werden die Eidechsen der zuvor fälschlicherweise als „Ses Mones“ bezeichneten Insel En Carbò nun nicht mehr der Unterart P. lilfordi addayae, sondern P. l. carbonerae zugerechnet.

Video: Männliche Podarcis lilfordi von der Illa de Ses Mones.

Abb. 1: Lage der Inseln in der Bucht von Port d´Addaia.

Die Illa de Ses Mones (Abb. 2) befindet sich im Hafen von Port d`Addaia (siehe Abb. 1) und ist nur durch einen etwa 15 m breiten und seichten Kanal von ca. 1,5 m Tiefe von der Küste Menorcas getrennt (eigene Beob.). Die Insel weist eine Oberfläche von 0,74 ha sowie eine maximale Höhe von 16,32 m auf (OBSERVATORI SOCIOAMBIENTAL DE MENORCA 2007). Ses Mones ist größtenteils mit Mastixsträuchern (Pistacia lentiscus), einigen Pinien sowie der üblichen mediterranen Strauchvegetation bewachsen (Abb. 3). Nach PEREZ-MELLADO (2002) war die Insel für einige Zeit künstlich mit Menorcas Küste verbunden, jedoch konnten wir keine Spuren einer solchen Verbindung mehr entdecken.

Erstmalig erwähnt PEREZ-MELLADO (1989) eine kleine unbeschriebene Eidechsenpopulation von der Illa de Ses Mones. Allerdings wird die Insel in dieser Arbeit „Isla de Port d`Addaia“ genannt und der Name „Illa de Ses Mones“ fälschlicherweise für die weiter draußen vor der Hafeneinfahrt von Port d`Addaia gelegene Illot d`en Carbó verwendet. Später wurden die Eidechsen von der Illa de Ses Mones ohne nähere Erklärung zur Unterart Podarcis lilfordi addayae (EISENTRAUT, 1928) gestellt (PEREZ-MELLADO 1997). Diese Unterart bewohnt die Inseln Illa Gran d´Addaia, Illa Petita d´Addaia sowie Illot de Ses Àligues, die alle vor der Hafeneinfahrt von Port d´Addaia im Nordosten Menorcas liegen (EISENTRAUT 1928, 1930; PÉREZ-MELLADO & SALVADOR 1988). Nach PEREZ-MELLADO (2002, 2005) soll die Population von Podarcis lilfordi auf der Illa de Ses Mones dann um 1995 infolge der Einschleppung von Podarcis siculus ausgestorben sein.


Untersuchungen und Ergebnisse

Insgesamt konnten wir die Illa de Ses Mones acht Mal aufsuchen (7. und 10. Juni 2009, 09.05.–12.05.2010 sowie 02.09. und 03.09.2010), um hier zu untersuchen, ob die eingewanderte Podarcis siculus die ursprüngliche Population von Podarcis lilfordi wirklich verdrängen konnte. Dabei versuchten wir, jede gesichtete Eidechse zu fotografieren, um diese später individuell zu unterscheiden und den Fundort auf der Insel zu notieren. Zu unserer Überraschung handelte es sich bei allen anfangs gesichteten Eidechsen ausschließlich um Podarcis lilfordi. Trotz intensiver Suche konnten wir erst am 11. Mai 2010, also bei der fünften Begehung der Insel, die ersten Exemplare von Podarcis siculus sichten. Da die Oberfläche der Illa de Ses Mones größtenteils mit Pistacia lentiscus bewachsen ist, beschränkten sich unsere Untersuchungen auf die Uferbereiche sowie das Plateau der Insel. Insgesamt konnten wir 39 Exemplare von Podarcis lilfordi identifizieren: 15 Männchen, 10 Weibchen, 6 Tiere unbekannten Geschlechts sowie 8 juvenile Exemplare.

Die Anzahl der gesichteten Podarcis siculus war bedeutend niedriger: Hier konnten wir lediglich 5 Exemplare (3 Männchen, 2 Weibchen) beobachten. Außerdem fanden wir einige Mauergeckos (Tarentola mauritanica), konnten aber keinen Hinweis auf ein Vorkommen des Europäischen Halbfingergeckos (Hemidactylus turcicus) auf der Illa de Ses Mones finden.

Die tatsächliche Populationsgröße von Podarcis lilfordi auf der Illa de Ses Mones dürfte noch um einiges höher liegen als die von uns gesichtete Anzahl an Exemplaren, da viele Bereiche der Insel aufgrund der starken Vegetation und recht steilen Abhänge nicht begeh- und einsehbar waren. Insgesamt dürfte die Population sicherlich aus mindesten 60 bis vielleicht 80 Tieren bestehen. Die Anzahl der auf Ses Mones lebenden Podarcis siculus, die wir übrigens nur im nahen Uferbereich, nicht aber auf den höher gelegenen Arealen der Insel antrafen, dürfte weitaus geringer sein und die Anzahl von 10 Tieren nicht übersteigen.

Bei den Podarcis lilfordi von der Illa de Ses Mones handelt es sich um eine mittelgroße und robuste Form, die recht variabel gefärbt und gezeichnet ist. Die Grundfärbung reicht von einem hellen Braun über Orangebraun bis hin zu Dunkelbraun, wobei in beiden Geschlechtern olivgrüne bis grüne Töne auf der Rückenmitte vorherrschen können. Die schwarzen Rückenlinien sind bei den meisten Tieren deutlich sichtbar, wobei das Occipitalband meist durchgehend, die Parietalbänder hingegen häufig unterbrochen oder aufgelöst sind.


Diskussion

Laut PEREZ-MELLADO (2002, 2005) soll die eingewanderte Podarcis siculus in einem Zeitraum von nur 15 Jahren die zuvor auf der Illa de Ses Mones lebende Population von Podarcis lilfordi komplett verdrängt und damit in den 1990er-Jahren deren Aussterben versursacht haben. Mit der Wiederentdeckung der Population von Podarcis lilfordi auf der Illa de Ses Mones hat sich diese Aussage nun glücklicherweise als falsch herausgestellt. Da wir auf der Illa de Ses Mones zudem auch noch Podarcis siculus angetroffen haben, ist dies auch zugleich der erste Nachweis eines sympatrischen Vorkommens von P. lilfordi und P. siculus überhaupt. Obwohl Letztere als großwüchsige, aggressive und opportunistische Art bekannt ist (OLMEDO 1997; PEREZ-MELLADO et al. 2000 zitiert in PLEGUEZUELOS 2004), hat sie es entgegen der bisherigen Meldungen nicht geschafft, die endemische P. lilfordi auf der Illa de Ses Mones zu verdrängen. In der Tat ist die Anzahl der gesichteten P. lilfordi um ein Vielfaches höher als die der eingewanderten P. siculus, von der wir trotz intensiver Suche insgesamt nur 5 Exemplare antreffen konnten. Hierfür sind unserer Ansicht nach nicht etwa für P. siculus ungünstige Lebensbedingungen auf der Insel verantwortlich, sondern vielmehr die starke Konkurrenz durch die autochthone P. lilfordi.

In zwei Fällen konnten wir jeweils eine direkte Begegnung zwischen Tieren beider Arten registrieren. Im ersten Fall sahen wir, wie ein adultes Männchen von P. lilfordi ein größeres und kräftigeres Männchen von P. siculus aggressiv verfolgte. Bei der anderen Begegnung war es sogar ein Weibchen von P. lilfordi, das ein größeres Männchen von P. siculus vehement verjagte. Dieses aggressive Verhalten könnte der Grund dafür sein, dass die zugewanderte P. siculus nur in geringen Stückzahlen auf der Insel anzutreffen ist. Anhand dieser Beobachtungen ist es nur schwer vorstellbar, dass P. siculus eine Rolle beim Aussterben von P. lilfordi auf der Hauptinsel Menorca gespielt haben könnte, zumal auf Mallorca, wo P. lilfordi ebenfalls als ausgestorben gilt, die Ruineneidechse erst kürzlich eingeschleppt wurde (ZAWADZKI & SEEMANN 2009). Dennoch könnten Langzeituntersuchung der sympatrischen Population auf der Illa de Ses Mones klären, welches Gefahrenpotenzial möglicherweise von der als invasiv geltenden P. siculus für andere endemische Eidechsenpopulationen ausgeht.

Bei unseren Literaturrecherchen stellten wir fest, dass in allen Fällen, in denen Ses Mones erwähnt wurde, tatsächlich En Carbó gemeint war (PÉREZ-MELLADO & SALVADOR 1988; PÉREZ-MELLADO 1989; PÉREZ-MELLADO & CORTI 1993; MAYOL 1997). Obwohl sich beide Inseln im Hafen bzw. vor der Hafeneinfahrt von Port d`Addaia im Nordosten von Menorca befinden, ließ sich anhand der in den jeweiligen Arbeiten gemachten Angaben zur Insel – und hier besonders bei der Höhe der Insel bzw. deren Entfernung zur Küste – genau feststellen, dass die Inselnamen nicht korrekt zugeordnet wurden. Das erste Mal, dass P. lilfordi addayae von der Illa de Ses Mones erwähnt wurde, war bei PÉREZ-MELLADO (1997), allerdings ohne jegliche geografischen Anhaltspunkte, weswegen wir davon ausgehen, dass auch hier wieder En Carbó gemeint war. Dies trifft genauso auf die Angabe von SALVADOR & PLEGUEZUELOS (2002) zu, die die Population von Ses Mones ebenso zu P. lilfordi addayae stellen.

Die ersten Arbeiten, in der die geografische Lage mit den tatsächlichen Gegebenheiten übereinstimmen, sind die von PÉREZ-MELLADO (2002), was durch die Bemerkung, dass die Insel mit Menorcas Küste verbunden war, ersichtlich ist und nur auf Ses Mones, nicht aber auf En Carbó zutrifft, sowie PÉREZ-MELLADO et al. (2002), wo die Lage von En Carbó ganz eindeutig beschrieben wird. Aufgrund der vorherigen Verwechslungen der beiden Inseln in der oben aufgeführten Literatur war auch die taxonomische Stellung der Eidechsenpopulation von der fälschlicherweise „Ses Mones“ genannten Illot d'en Carbó verwirrend. PEREZ-MELLADO & SALVADOR (1988) beschrieben anhand einer im Zoologischen Forschungsmuseum Alexander Koenig in Bonn hinterlegten Serie von 8 Eidechsen (4,4), die 1933 von K. Grün auf einer Insel Namens „Carbonera“ bei Menorca gesammelt wurden, die Unterart Podarcis lilfordi carbonerae, ohne jedoch die genaue Lage der Insel zu kennen. Kurioserweise stellten die beiden Autoren in derselben Arbeit drei juvenile Exemplare von der Insel „A3“, die, wie sich später herausstellte, mit der Illot d'en Carbó (= Carbonera) identisch ist, zu Podarcis lilfordi addayae. Über die Wiederentdeckung der P. lilfordi carbonerae und die genaue geografische Lage der „Isla Carbonera“ (= En Carbó) berichteten dann PEREZ-MELLADO et al. (2002). Damit einhergehend werden die Eidechsen der zuvor fälschlicherweise als „Ses Mones“ bezeichneten Insel En Carbò nun nicht mehr der Unterart P. lilfordi addayae, sondern P. l. carbonerae zugerechnet.

Video: Männliche Podarcis lilfordi von der Illa de Ses Mones.

Abb. 2: Die Illa de Ses Mones im Hafen von Port d´Addaia.
Abb. 2: Die Illa de Ses Mones im Hafen von Port d´Addaia.
Abb. 3: Habitat auf der Illa des Ses Mones mit felsigen Bereichen und dichter Vegetation.
Abb. 3: Habitat auf der Illa des Ses Mones mit felsigen Bereichen und dichter Vegetation.
Abb. 4: Männliche Podarcis lilfordi von der Illa de Ses Mones mit dunkler Färbung.
Abb. 4: Männliche Podarcis lilfordi von der Illa de Ses Mones mit dunkler Färbung.
Abb. 5: Weibchen von Podarcis lilfordi.
Abb. 5: Weibchen von Podarcis lilfordi.
Abb. 6: Männchen mit heller Färbung.
Abb. 6: Männchen mit heller Färbung.
Abb. 7: Aufgrund der dichten Vegetation sind die Eidechsen meist schwer auszumachen – hier ein orangebraunes Männchen.
Abb. 7: Aufgrund der dichten Vegetation sind die Eidechsen meist schwer auszumachen – hier ein orangebraunes Männchen.
Abb. 8: Weibchen von Podarcis lilfordi mit grüner Rückenmitte.
Abb. 8: Weibchen von Podarcis lilfordi mit grüner Rückenmitte.
Abb. 9: Braunes Weibchen mit dem typisch metallisch grünlichen Schwanz.
Abb. 9: Braunes Weibchen mit dem typisch metallisch grünlichen Schwanz.
Abb. 10: Männliche Podarcis lilfordi mit grünlichem Anflug auf dem Rücken.
Abb. 10: Männliche Podarcis lilfordi mit grünlichem Anflug auf dem Rücken.
Abb. 11: Männchen mit grüner Rückenzone und orangefarbener Bauchseite.
Abb. 11: Männchen mit grüner Rückenzone und orangefarbener Bauchseite.
Abb. 12: Juvenile Podarcis lilfordi von der Illa de Ses Mones.
Abb. 12: Juvenile Podarcis lilfordi von der Illa de Ses Mones.
Abb. 13: Podarcis-siculus-Männchen von der Illa de Ses Mones.
Abb. 13: Podarcis-siculus-Männchen von der Illa de Ses Mones.
Abb. 14: Podarcis-siculus-Männchen von der Illa de Ses Mones.
Abb. 14: Podarcis-siculus-Männchen von der Illa de Ses Mones.
Abb. 15: Weibchen von Podarcis siculus.
Abb. 15: Weibchen von Podarcis siculus.


Konklusion

Da es unseres Wissens nach keine veröffentlichte Untersuchung gibt, die die Zugehörigkeit der Eidechsenpopulation von Ses Mones zu Podarcis lilfordi addayae stützt, wollen wir sie hier vorerst als Podarcis lilfordi ssp. bezeichnen.

Literatur

COLOM, G. (1957): Biogeografía de las Baleares. La formación de las islas y el origen de su flora y su fauna. – Palma de Mallorca, Estudio General Luliano, Serie Scientifica no. 1: 362–387.

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PÉREZ-MELLADO, V. (2002): Podarcis sicula (RAFINESQUE, 1810). Lagartija italiana. – Atlas y libro rojo de los anfibios y reptiles de España, 2: 257–259.

PÉREZ-MELLADO, V. (2005): Podarcis lilfordi (GÜNTHER, 1874). – Libro rojo de los Vertebrados de las Baleares, 3. Auflage: 50–53.

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PÉREZ-MELLADO, V. & SALVADOR, A. (1988): The Balearic lizard Podarcis lilfordi (GÜNTHER, 1874) (Sauria, lacertidae) of Menorca. – Arquivos do Museu Bocage, 1 (10): 127–195.

SALVADOR, A. & PLEGUEZUELOS, J.M. (2002): Lagartija Balear (Podarcis lilfordi). – Reptiles españoles. Identificación, historia natural y distribución: 275–282.

ZAWADZKI, M. & SEEMANN, J. (2009): Erstnachweis von Podarcis siculus campestris auf Mallorca. – Die Eidechse, Bonn, 20 (1): 25–28.


 

Als Vorlage diente: Die Eidechse, 21 (3): 65-74, Bonn, 20. November 2010.