Beobachtungen an einer Population von <i>Podarcis lilfordi</i> (GÜNTHER, 1874) auf der ehemaligen Insel Frailes bei Colónia de Sant Jordi

Beobachtungen an einer Population von Podarcis lilfordi (GÜNTHER, 1874) auf der ehemaligen Insel Frailes bei Colónia de Sant Jordi, SW-Mallorca (Spanien, Balearen)


MIKE ZAWADZKI, August 2010


 

Zusammenfassung

Während mehrerer Aufenthalte auf Mallorca zwischen Juni 2003 und September 2008 konnte an der Südwestküste Mallorcas im Hafen des Ferienortes Colónia de Sant Jordi eine kleine Population von Podarcis lilfordi auf den Resten der ehemaligen Insel Frailes angetroffen werden. Die überwiegend melanistischen Eidechsen kommen hier im naturbelassenen felsigen Bereich in unmittelbarer Küstennähe zusammen mit dem Mauergecko (Tarentola mauritanica) vor. Sehr wahrscheinlich geht die Eidechsenpopulation auf verschleppte Tiere von Cabrera (P. l. kuligae) und den nahe gelegenen Inseln Moltona und Guardia (P. l. jordansi) zurück.

Summary

During several visits to Mallorca between June 2003 and September 2008 a small population of Podarcis lilfordi has been found on the remains of the small island Frailes at the harbour of Colónia de Sant Jordi. Most of the lizards are melanistic and inhabit the rocky parts of the former island together with the Moorish Gecko (Tarentola mauritanica). It is very likely that this lizard population originates in lizards from Cabrera (P. l. kuligae) and from the nearby islands Moltona and Guardia (P. l. jordansi).

Einleitung

Die Baleareneidechse (Podarcis lilfordi) ist in ihrer Verbreitung auf die Balearen beschränkt, wo sie eine Vielzahl kleiner Inseln um Mallorca und Menorca besiedelt, dabei aber interessanterweise auf den beiden großen Hauptinseln selber fehlt (EISENTRAUT 1949, MERTENS 1957, SALVADOR 1986).

Im Südwesten Mallorcas, vor der Küste des Ferienortes Colónia de Sant Jordi liegen die kleinen Eilande Guardia (Na Guardis) und Moltona, auf denen die kleinwüchsige und melanistische Unterart Podarcis lilfordi jordansi (MÜLLER, 1927) lebt. EISENTRAUT (1950) traf 1928 auf dem winzigen, nur wenige Meter von der Hauptinsel entfernt liegenden Eiland Frailes ebenfalls einige wenige Eidechsen an, die nicht von denen von Guardia zu unterscheiden waren. Aufgrund der geringen Anzahl der Tiere auf Frailes, wollte er nicht von der Hand weisen, dass diese gelegentlich durch Fischer von Guardia oder Moltona hierher gebracht wurden und sich angesiedelt haben.

Abb. 1. Die kleinen Biotop die Eidechsen in den bewachsenen Gebiet der ehemalige Insel Frailles.


Abb. 2. Die ehemalige Insel Frailes.


Abb. 3. Biotop auf Frailes.
 

Während Bauarbeiten zur Erweiterung des kleinen Hafens wurde das flache kleine Eiland Frailes in den 1960er-Jahren künstlich mit der Küste Mallorcas verbunden. Die kleine Eidechsenpopulation soll anschließend erloschen sein (MAYOL 1997, 2004, PÉREZ-MELLADO 2005).


Eigene Beobachtungen

Während mehrerer Aufenthalte auf Mallorca (Juni und Oktober 2003, Mai 2005, Juni 2007 und September 2008) konnte ich die Reste der ehemaligen Insel Frailes besuchen. Der westliche Teil des ursprünglichen Eilandes ist naturbelassen, und lediglich der Ostteil schließt an eine flache Mauer an, die den felsigen Bereich von der Zufahrtsstraße zum Hafenbereich trennt (Abb. 1-3).

Bei meinem ersten Besuch im Juni 2003 gelang es mir erst nach einer knappen Stunde, die erste Eidechse auf den Resten von Frailes zu erspähen. Dabei handelte es sich um ein völlig melanistisches Männchen. Insgesamt konnte ich nicht mehr als neun Exemplare zählen. Die Eidechsen verhielten sich ausgesprochen scheu und ließen eine Annäherung auf weniger als 5 m nicht zu. Alle gesichteten Tiere waren nahezu komplett schwarz gefärbt und glichen damit im äußeren Erscheinungsbild der Unterart P. l. jordansi (Abb. 4). Nur ein Weibchen fiel aus der Reihe. Mit ihrem hellbraunen Rücken und grünlichen Schwanz erinnerte es vielmehr an eine P. lilfordi kuligae von Cabrera (Abb. 5). Jungtiere waren um diese Jahreszeit noch nicht auszumachen.

Im Oktober 2003 war das Wetter bei meinem Besuch auf Frailes recht wechselhaft und windig, jedoch lagen die Temperaturen bei knapp 20 °C, und die Sonne kam immer wieder hinter den Wolken hervor, sodass ich auch diesmal die Eidechsen dieser kleinen Population beobachten konnte. Dabei konnte ich nur zwei völlig schwarze Männchen ausmachen, dafür mehrere bräunliche Weibchen sowie mehrere juvenile Tiere. Insgesamt konnte ich 15 verschiedene Exemplare zählen. Hierbei handelte es sich um zwei adulte schwarze sowie ein jüngeres schwarzbraunes Männchen. Letzteres glich vom Erscheinungsbild eher der auf Cabrera vorkommenden P. l. kuligae. Von den sieben gesichteten Weibchen wiesen sechs Tiere eine dunkelbraune Färbung auf (Abb. 6), nur ein einziges Weibchen war hellbraun gefärbt. Auch hier ähnelte das hellere Tier keinesfalls der melanistischen P. l. jordansi, sondern einer P. l. kuligae. Weiterhin konnte ich drei subadulte Tiere vom Vorjahr sowie zwei diesjährige Jungtiere ausmachen, eines dunkelbraun, das andere braun mit grünlichem Schwanz.

Insgesamt dürfte die Population inklusive Jungtiere sicherlich nicht mehr als 20 Individuen zählen. Von den ebenfalls hier lebenden Mauergeckos (Tarentola mauritanica) konnte ich vier adulte Tiere (2,2) sowie fünf Jungtiere finden.

Ende Mai 2005 konnte ich den Lebensraum der kleinen Population erneut besuchen. Am 30.05.2005 schien die Sonne um 08.40 Uhr noch nicht vollständig, sodass ich während des kurzen Aufenthaltes nur sehr wenige Tiere beobachten konnte. Darunter befanden sich ein braunes Männchen sowie ein ebenfalls braun gefärbtes Weibchen. Ein weiteres adultes Tier sowie ein juveniles Exemplar sah ich nur kurz weglaufen. Am folgenden Tag war das Wetter schlecht, und ich konnte keine Eidechsen finden.

Bei einem erneuten Besuch Anfang Juni 2007 konnte ich insgesamt zwölf verschiedene Individuen ausmachen, wobei nur ein Männchen eine nahezu lackschwarze Färbung und eine dunkelblaue Unterseitenfärbung aufwies. Die anderen drei gesichteten Männchen waren zwar ebenfalls deutlich melanistisch, doch waren sie mehr von braunschwarzer Färbung. Außerdem schienen bei ihnen noch mehr oder weniger deutlich hellere blaue Farbtöne durch, besonders an den Flanken und in der Wangenregion, Hals und Kehle waren himmelblau gefärbt. Damit ähnelten sie sehr stark dem Cabrera-Typ. Bei den Weibchen herrschten oberseits mehr bräunliche – von hellbraun bis dunkelbraun – Töne vor, wobei der Schwanz meist grünlich gefärbt war. Ein melanistisches, nahezu schwärzliches Weibchen konnte ebenfalls beobachtet werden.

Auch bei meinem bisher letzten Besuch im September 2008 zeigten die gesichteten adulten Eidechsen – drei Männchen und vier Weibchen – die bekannten Färbungen, obwohl dieses Mal kein lackschwarzes Exemplar angetroffen wurde, sondern lediglich schwarzbraune beziehungsweise braun bis hellbraun gefärbte Tiere.
Über die Anzahl und Geschlechter der jeweils gesichteten Tiere gibt Tabelle 1 Aufschluss.

Diskussion

Entgegen den Angaben von MAYOL (1997, 2004) und PÉREZ-MELLADO (2005), wonach die Eidechsenpopulation auf der ehemaligen Insel Frailes erloschen sein soll, konnte ich hier im Zeitraum von Juni 2003 bis September 2008 eine reproduzierende Population nachweisen. Im Gegensatz zu der kleinen Population, die EISENTRAUT 1928 hier vorfand, glichen die von mir gesichteten Eidechsen besonders bei den letzten Besuchen nicht den Tieren von Guardia. Bei Podarcis lilfordi jordansi von Guardia handelt es sich um eine vollmelanistische Zwergform mit tiefschwarzer bis blauschwarzer, etwas glänzender Oberseite, die laut EISENTRAUT (1950) im männlichen Geschlecht eine Kopf-Rumpf-Länge (KRL) von 52–61 mm, im Durchschnitt 56,75 mm aufweist (n = 8). Für Frailes erwähnt er ein dort gefangenes Männchen, mit einer für diese Unterart sehr erheblichen KRL von 65 mm. Ein von mir im Oktober 2003 vermessenes, relativ junges melanistisches Männchen von Frailes – mit einem noch sehr glatten und nicht vernarbten Pileus – wies dagegen eine KRL von 71 mm auf und unterscheidet sich dadurch recht deutlich von der kleinwüchsigen P. l. jordansi von Guardia.

Die von mir auf Frailes gefundenen Eidechsen zeigten insgesamt auch eine recht variable Färbung, die von einem glänzenden Schwarz über Schwarz, Schwarzbraun, Dunkelbraun bis nach Hellbraun reichte. Je dunkler die Tiere auf der Oberseite gefärbt sind, desto dunkler ist auch der Blauton der Unterseite. Bei den hellbraunen Tieren ist die Färbung der Kehle himmelblau, außerdem zeigen sie auch an den Flanken bläuliche Töne, und der Pileus ist oftmals braun anstatt schwarz. Interessant ist, dass bei meinem ersten Besuch im Juni 2003 bis auf einzelnes hellbraunes Weibchen alle Eidechsen schwarz gefärbt waren. Im Laufe der Jahre nahm der Anteil der Tiere, die bräunliche bis hellbraune Färbungen aufweisen deutlich zu. Zwar waren auch später noch einige Männchen deutlich melanistisch, wiesen dabei aber im Gegensatz zu P. l. jordansi keine glänzend schwarze Oberseite auf, wodurch die Population insgesamt immer mehr den auf Cabrera lebenden Eidechsen der Unterart P. l. kuligae glich. Dagegen könnte es sich bei dem Männchen, dessen Maße und Pholidosewerte in Tabelle 2 angegeben sind (Abb. 7 u. 8), um ein Tier von der ebenfalls nahe gelegenen Insel Moltona handeln. Zwar werden diese Eidechsen wie die Tiere von Guardia zur Unterart P. l. jordansi gezählt, doch nach eigenen unveröffentlichten Daten gibt es auf Moltona nicht nur die typischen kleinwüchsigen melanistischen Eidechsen, sondern auch deutlich größere Exemplare mit KRL von 70 bis 73 mm. Möglicherweise handelt es sich daher schon bei den Eidechsen auf Moltona um eine „Mischpopulation“. Diese Annahme könnte durch die genetischen Untersuchungen von TERRASSA et al. (2008) gestützt werden, da die Autoren auf Moltona zwei verschiedene Haplotypen ausmachen konnten.

Wenn man bedenkt, dass vom kleinen Hafen in Colónia de Sant Jordi auch die Ausflugsboote zum Cabrera-Archipel nach ihrer Rückkehr hier unweit von Frailes anlegen, ist es nicht unwahrscheinlich, dass einige Tiere von dort hierher verschleppt wurden. Da einige Exemplare jedoch nicht ganz mit den Cabrera- Tieren übereinstimmen, ist es nicht auszuschließen, dass die kleine, aber insgesamt recht wenig homogene Population von Frailes aus Individuen unterschiedlichen Ursprungs besteht und somit eine Mischpopulation aus Exemplaren von Moltona, Guardia und Cabrera darstellt (vgl. Abb. 9-13).




Abb. 9. Melanistisches Männchen mit durchscheinenden helleren Blautönen und braunem Pileus, das P. l. kuligae von Cabrera ähnelt.


Abb. 10. Bei diesem Männchen ist sehr gut die himmelblaue Kehlfärbung zu erkennen.


Abb. 11. Weibliches Jungtier mit deutlicher Längszeichnung.



Abb. 4. Melanistisches Männchen von Frailes, das der Unterart Podarcis lilfordi jordansi auffallend ähnelt.


Abb. 5. Hellbraun gefärbtes Weibchen mit grünlichem Schwanz, das eher Ähnlichkeiten mit Podarcis lilfordi kuligae aufweist.


Abb. 6. Junges Weibchen mit dunkelbrauner Färbung und grünlichem Schwanz.



Tab. 1. Übersicht über die Anzahl der gesichteten Eidechsen auf den Resten der ehemaligen Insel Frailes. (* = Hier erfolgte der Besuch sehr früh morgens bzw. bei sehr schlechtem Wetter)



Abb. 7. Das in Tabelle 2 aufgeführte melanistische Männchen, das P. l. jordansi ähnelt.


Abb. 8. Die Unterseite desselben Tieres.



Tab. 2. Vergleich einiger morphometrischer und pholidotischer Werte zweier melanistischer Männchen von Frailes.



Abb 12. Braunes Männchen von Frailes, das sich im unteren Rückenbereich grünlich blau umzufärben beginnt.


Abb 13. Braunes Männchen von Frailes.


Abb 14. Männliches Jungtier.



Literatur

EISENTRAUT, M. (1949): Das Fehlen endemischer und das Auftreten landfremder Eidechsen auf den beiden Hauptinseln der Balearen, Mallorca und Menorca. – Zoologische Beiträge, Berlin, N. F. 3: 1–11.

EISENTRAUT, M. (1950): Die Eidechsen der spanischen Mittelmeerinseln und ihre Rassenaufspaltung im Lichte der Evolution. – Mitteil. Zool. Museum Berlin, 26: 1–225.

MERTENS, R. (1957): Mallorca: ein herpetogeographisches Problem. – Zoologische Beiträge, Berlin, N. F. 3,1: 1–16.

MAYOL, J. (1997): Biogeografiá de los anfibios y reptiles de las islas Baleares. – S. 371–379 in: Pleguezuelos, J. (Hrsg.): Distribuciòn y biogeografiá de los anfibios y reptiles de España y Portugal. – Monografías de Herpetología Vol. 3, Granada, 550 S.

MAYOL, J. (2004): A conservation proposal for most endangered insular lizards in the Balearics. – S. 231–238 in: Perez-Mellado, V., N. Riera & A. Perera (Hrsg.): The Biology of Lacertid Lizards. Evolutionary and Ecological Perspectives. – Institut Menorquì d`Estudis. Recerca 8, 313 S.

PÉREZ-MELLADO, V. (2005): Podarcis lilfordi (GÜNTHER, 1879) – Podarcis pityusensis (BOSCÁ, 1883). – S. 50–57 in: Viada Sauleda, C. (Hrsg.): Libro rojo de los Vertebrados de las Baleares (3a edition). – Govern de les Illes Balears, Conselleria del Medio Ambiente, 264 S.

TERRASSA, B., V. PÉREZ-MELLADO, R.P. BROWN, A. PICORNELL, J.A. CASTRO & M.M. RAMÓN (2008): Foundations conservations for intraspecific genetic diversity revealed by analyses of phylogeographical structure in the endangered endemic lizard Podarcis lilfordi. – Diversity and Distributions 15(2): 207–221.

SALVADOR, A. (1986): Podarcis lilfordi (GÜNTHER, 1874) – Balearen-Eidechse. – S. 83–110 in: Böhme, W. (Hrsg.): Handbuch der Reptilien und Amphibien Europas. Band 2/II: Echsen III. – Aula-Verlag, Wiesbaden, 434 S.


Als Vorlage diente: Die Eidechse, 21 (2): 43-52, Bonn, 20. August 2010.