Einleitung
Die Baleareneidechse (Podarcis lilfordi) ist in ihrer Verbreitung auf die Balearen
beschränkt, wo sie eine Vielzahl kleiner Inseln um Mallorca und Menorca besiedelt,
dabei aber interessanterweise auf den beiden großen Hauptinseln selber fehlt (EISENTRAUT
1949, MERTENS 1957, SALVADOR 1986).
Im Südwesten Mallorcas, vor der Küste des Ferienortes Colónia de Sant Jordi
liegen die kleinen Eilande Guardia (Na Guardis) und Moltona, auf denen die
kleinwüchsige und melanistische Unterart Podarcis lilfordi jordansi (MÜLLER,
1927) lebt. EISENTRAUT (1950) traf 1928 auf dem winzigen, nur wenige Meter von
der Hauptinsel entfernt liegenden Eiland Frailes ebenfalls einige wenige Eidechsen
an, die nicht von denen von Guardia zu unterscheiden waren. Aufgrund der
geringen Anzahl der Tiere auf Frailes, wollte er nicht von der Hand weisen, dass
diese gelegentlich durch Fischer von Guardia oder Moltona hierher gebracht wurden
und sich angesiedelt haben.
Abb. 1. Die kleinen Biotop die Eidechsen in den bewachsenen Gebiet der ehemalige Insel Frailles.
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Abb. 2. Die ehemalige Insel Frailes.
Abb. 3. Biotop auf Frailes.
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Während Bauarbeiten zur Erweiterung des kleinen Hafens wurde das flache
kleine Eiland Frailes in den 1960er-Jahren künstlich mit der Küste Mallorcas
verbunden. Die kleine Eidechsenpopulation soll anschließend erloschen sein
(MAYOL 1997, 2004, PÉREZ-MELLADO 2005).
Eigene Beobachtungen
Während mehrerer Aufenthalte auf Mallorca (Juni und Oktober 2003, Mai 2005,
Juni 2007 und September 2008) konnte ich die Reste der ehemaligen Insel Frailes
besuchen. Der westliche Teil des ursprünglichen Eilandes ist naturbelassen, und lediglich
der Ostteil schließt an eine flache Mauer an, die den felsigen Bereich von der
Zufahrtsstraße zum Hafenbereich trennt (Abb. 1-3).
Bei meinem ersten Besuch im Juni 2003 gelang es mir erst nach einer knappen
Stunde, die erste Eidechse auf den Resten von Frailes zu erspähen. Dabei handelte
es sich um ein völlig melanistisches Männchen. Insgesamt konnte ich nicht mehr
als neun Exemplare zählen. Die Eidechsen verhielten sich ausgesprochen scheu
und ließen eine Annäherung auf weniger als 5 m nicht zu. Alle gesichteten Tiere
waren nahezu komplett schwarz gefärbt und glichen damit im äußeren Erscheinungsbild
der Unterart P. l. jordansi (Abb. 4). Nur ein Weibchen fiel aus der Reihe.
Mit ihrem hellbraunen Rücken und grünlichen Schwanz erinnerte es vielmehr an
eine P. lilfordi kuligae von Cabrera (Abb. 5). Jungtiere waren um diese Jahreszeit
noch nicht auszumachen.
Im Oktober 2003 war das Wetter bei meinem Besuch auf Frailes recht wechselhaft
und windig, jedoch lagen die Temperaturen bei knapp 20 °C, und die
Sonne kam immer wieder hinter den Wolken hervor, sodass ich auch diesmal
die Eidechsen dieser kleinen Population beobachten konnte. Dabei konnte
ich nur zwei völlig schwarze Männchen ausmachen, dafür mehrere bräunliche
Weibchen sowie mehrere juvenile Tiere. Insgesamt konnte ich 15 verschiedene
Exemplare zählen. Hierbei handelte es sich um zwei adulte schwarze sowie
ein jüngeres schwarzbraunes Männchen. Letzteres glich vom Erscheinungsbild
eher der auf Cabrera vorkommenden P. l. kuligae. Von den sieben gesichteten
Weibchen wiesen sechs Tiere eine dunkelbraune Färbung auf (Abb. 6),
nur ein einziges Weibchen war hellbraun gefärbt. Auch hier ähnelte das hellere Tier
keinesfalls der melanistischen P. l. jordansi, sondern einer P. l. kuligae. Weiterhin
konnte ich drei subadulte Tiere vom Vorjahr sowie zwei diesjährige Jungtiere ausmachen,
eines dunkelbraun, das andere braun mit grünlichem Schwanz.
Insgesamt dürfte die Population inklusive Jungtiere sicherlich nicht mehr als 20
Individuen zählen. Von den ebenfalls hier lebenden Mauergeckos (Tarentola mauritanica)
konnte ich vier adulte Tiere (2,2) sowie fünf Jungtiere finden.
Ende Mai 2005 konnte ich den Lebensraum der kleinen Population erneut
besuchen. Am 30.05.2005 schien die Sonne um 08.40 Uhr noch nicht vollständig,
sodass ich während des kurzen Aufenthaltes nur sehr wenige Tiere beobachten
konnte. Darunter befanden sich ein braunes Männchen sowie ein ebenfalls braun
gefärbtes Weibchen. Ein weiteres adultes Tier sowie ein juveniles Exemplar sah ich
nur kurz weglaufen. Am folgenden Tag war das Wetter schlecht, und ich konnte keine
Eidechsen finden.
Bei einem erneuten Besuch Anfang Juni 2007 konnte ich insgesamt zwölf verschiedene
Individuen ausmachen, wobei nur ein Männchen eine nahezu lackschwarze
Färbung und eine dunkelblaue Unterseitenfärbung aufwies. Die anderen
drei gesichteten Männchen waren zwar ebenfalls deutlich melanistisch, doch
waren sie mehr von braunschwarzer Färbung. Außerdem schienen bei ihnen noch
mehr oder weniger deutlich hellere blaue Farbtöne durch, besonders an den Flanken
und in der Wangenregion, Hals und Kehle waren himmelblau gefärbt. Damit
ähnelten sie sehr stark dem Cabrera-Typ. Bei den Weibchen herrschten oberseits
mehr bräunliche – von hellbraun bis dunkelbraun – Töne vor, wobei der Schwanz
meist grünlich gefärbt war. Ein melanistisches, nahezu schwärzliches Weibchen
konnte ebenfalls beobachtet werden.
Auch bei meinem bisher letzten Besuch im September 2008 zeigten die gesichteten
adulten Eidechsen – drei Männchen und vier Weibchen – die bekannten Färbungen,
obwohl dieses Mal kein lackschwarzes Exemplar angetroffen wurde, sondern lediglich
schwarzbraune beziehungsweise braun bis hellbraun gefärbte Tiere.
Über die Anzahl und Geschlechter der jeweils gesichteten Tiere gibt Tabelle 1
Aufschluss.
Diskussion
Entgegen den Angaben von MAYOL (1997, 2004) und PÉREZ-MELLADO (2005),
wonach die Eidechsenpopulation auf der ehemaligen Insel Frailes erloschen sein soll,
konnte ich hier im Zeitraum von Juni 2003 bis September 2008 eine reproduzierende
Population nachweisen. Im Gegensatz zu der kleinen Population, die EISENTRAUT
1928 hier vorfand, glichen die von mir gesichteten Eidechsen besonders bei
den letzten Besuchen nicht den Tieren von Guardia. Bei Podarcis lilfordi jordansi von
Guardia handelt es sich um eine vollmelanistische Zwergform mit tiefschwarzer bis
blauschwarzer, etwas glänzender Oberseite, die laut EISENTRAUT (1950) im männlichen
Geschlecht eine Kopf-Rumpf-Länge (KRL) von 52–61 mm, im Durchschnitt
56,75 mm aufweist (n = 8). Für Frailes erwähnt er ein dort gefangenes Männchen,
mit einer für diese Unterart sehr erheblichen KRL von 65 mm. Ein von mir im Oktober
2003 vermessenes, relativ junges melanistisches Männchen von Frailes – mit
einem noch sehr glatten und nicht vernarbten Pileus – wies dagegen eine KRL von
71 mm auf und unterscheidet sich dadurch recht deutlich von der kleinwüchsigen P.
l. jordansi von Guardia.
Die von mir auf Frailes gefundenen Eidechsen zeigten insgesamt auch eine
recht variable Färbung, die von einem glänzenden Schwarz über Schwarz,
Schwarzbraun, Dunkelbraun bis nach Hellbraun reichte. Je dunkler die Tiere
auf der Oberseite gefärbt sind, desto dunkler ist auch der Blauton der Unterseite.
Bei den hellbraunen Tieren ist die Färbung der Kehle himmelblau, außerdem
zeigen sie auch an den Flanken bläuliche Töne, und der Pileus ist oftmals
braun anstatt schwarz. Interessant ist, dass bei meinem ersten Besuch im Juni
2003 bis auf einzelnes hellbraunes Weibchen alle Eidechsen schwarz gefärbt waren.
Im Laufe der Jahre nahm der Anteil der Tiere, die bräunliche bis hellbraune
Färbungen aufweisen deutlich zu. Zwar waren auch später noch einige Männchen
deutlich melanistisch, wiesen dabei aber im Gegensatz zu P. l. jordansi keine
glänzend schwarze Oberseite auf, wodurch die Population insgesamt immer
mehr den auf Cabrera lebenden Eidechsen der Unterart P. l. kuligae glich. Dagegen
könnte es sich bei dem Männchen, dessen Maße und Pholidosewerte in Tabelle 2
angegeben sind (Abb. 7 u. 8), um ein Tier von der ebenfalls nahe gelegenen Insel
Moltona handeln. Zwar werden diese Eidechsen wie die Tiere von Guardia zur
Unterart P. l. jordansi gezählt, doch nach eigenen unveröffentlichten Daten gibt
es auf Moltona nicht nur die typischen kleinwüchsigen melanistischen Eidechsen,
sondern auch deutlich größere Exemplare mit KRL von 70 bis 73 mm. Möglicherweise
handelt es sich daher schon bei den Eidechsen auf Moltona um eine „Mischpopulation“.
Diese Annahme könnte durch die genetischen Untersuchungen von
TERRASSA et al. (2008) gestützt werden, da die Autoren auf Moltona zwei verschiedene
Haplotypen ausmachen konnten.
Wenn man bedenkt, dass vom kleinen Hafen in Colónia de Sant Jordi auch
die Ausflugsboote zum Cabrera-Archipel nach ihrer Rückkehr hier unweit von
Frailes anlegen, ist es nicht unwahrscheinlich, dass einige Tiere von dort hierher
verschleppt wurden. Da einige Exemplare jedoch nicht ganz mit den Cabrera-
Tieren übereinstimmen, ist es nicht auszuschließen, dass die kleine, aber insgesamt
recht wenig homogene Population von Frailes aus Individuen unterschiedlichen
Ursprungs besteht und somit eine Mischpopulation aus Exemplaren von
Moltona, Guardia und Cabrera darstellt (vgl. Abb. 9-13).
Abb. 9. Melanistisches Männchen mit durchscheinenden helleren Blautönen und braunem Pileus, das P. l. kuligae von Cabrera ähnelt.
Abb. 10. Bei diesem Männchen ist sehr gut die himmelblaue Kehlfärbung zu erkennen.
Abb. 11. Weibliches Jungtier mit deutlicher Längszeichnung.
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Abb. 4. Melanistisches Männchen von Frailes, das der Unterart Podarcis lilfordi jordansi auffallend ähnelt.
Abb. 5. Hellbraun gefärbtes Weibchen mit grünlichem Schwanz, das eher Ähnlichkeiten mit Podarcis lilfordi kuligae aufweist.
Abb. 6. Junges Weibchen mit dunkelbrauner Färbung und grünlichem Schwanz.
Tab. 1. Übersicht über die Anzahl der gesichteten Eidechsen auf den Resten der ehemaligen Insel Frailes. (* = Hier erfolgte der Besuch sehr früh morgens bzw. bei sehr schlechtem Wetter)
Abb. 7. Das in Tabelle 2 aufgeführte melanistische Männchen, das P. l. jordansi ähnelt.
Abb. 8. Die Unterseite desselben Tieres.
Tab. 2. Vergleich einiger morphometrischer und pholidotischer Werte zweier melanistischer Männchen von Frailes.
Abb 12. Braunes Männchen von Frailes, das sich im unteren Rückenbereich grünlich blau umzufärben beginnt.
Abb 13. Braunes Männchen von Frailes.
Abb 14. Männliches Jungtier.
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Literatur
EISENTRAUT, M. (1949): Das Fehlen endemischer und das Auftreten landfremder Eidechsen auf den beiden Hauptinseln der Balearen, Mallorca und Menorca. – Zoologische Beiträge, Berlin, N. F. 3: 1–11.
EISENTRAUT, M. (1950): Die Eidechsen der spanischen Mittelmeerinseln und ihre Rassenaufspaltung im Lichte der Evolution. – Mitteil. Zool. Museum Berlin, 26: 1–225.
MERTENS, R. (1957): Mallorca: ein herpetogeographisches Problem. – Zoologische Beiträge, Berlin, N. F. 3,1: 1–16.
MAYOL, J. (1997): Biogeografiá de los anfibios y reptiles de las islas Baleares. – S. 371–379 in: Pleguezuelos, J. (Hrsg.): Distribuciòn y biogeografiá de los anfibios y reptiles de España y Portugal. – Monografías de Herpetología Vol. 3, Granada, 550 S.
MAYOL, J. (2004): A conservation proposal for most endangered insular lizards in the Balearics. – S. 231–238 in: Perez-Mellado, V., N. Riera & A. Perera (Hrsg.): The Biology of Lacertid Lizards. Evolutionary and Ecological Perspectives. – Institut Menorquì d`Estudis. Recerca 8, 313 S.
PÉREZ-MELLADO, V. (2005): Podarcis lilfordi (GÜNTHER, 1879) – Podarcis pityusensis (BOSCÁ, 1883). – S. 50–57 in: Viada Sauleda, C. (Hrsg.): Libro rojo de los Vertebrados de las Baleares (3a edition). – Govern de les Illes Balears, Conselleria del Medio Ambiente, 264 S.
TERRASSA, B., V. PÉREZ-MELLADO, R.P. BROWN, A. PICORNELL, J.A. CASTRO & M.M. RAMÓN (2008): Foundations conservations for intraspecific genetic diversity revealed by analyses of phylogeographical structure in the endangered endemic lizard Podarcis lilfordi. – Diversity and Distributions 15(2): 207–221.
SALVADOR, A. (1986): Podarcis lilfordi (GÜNTHER, 1874) – Balearen-Eidechse. – S. 83–110 in: Böhme, W. (Hrsg.): Handbuch der Reptilien und Amphibien Europas. Band 2/II: Echsen III. – Aula-Verlag, Wiesbaden, 434 S.
Als Vorlage diente: Die Eidechse, 21 (2): 43-52, Bonn, 20. August 2010.
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