Die "Drachen" der Cadolzburg


Die "Drachen" der Cadolzburg

ANGELIKA & SIEGFRIED TROIDL, 2012


Während andere Burgen gerne mit Ritterlegenden und Spukgeschichten um Aufmerksamkeit ringen, kann die mittelfränkische Cadolzburg neuerdings mit hauseigenen "Drachen" aufwarten.
Natürlich handelt es sich hierbei nicht um jene Geschöpfe wie wir sie von Sagen und Legenden her kennen, sondern um Mauereidechsen, die an der Cadolzburg vor einigen Jahren ausgesetzt wurden.

Abb. 1 + 2: Im unteren Bereich der Westmauer fanden wir zwölf Mauereidechsen.

Bereits vor drei Jahren erhielten wir den Hinweis, dass es an der Cadolzburg Mauereidechsen (Podarcis muralis) geben soll. Neugierig aber auch etwas ungläubig besuchten wir daraufhin die Burg, um nach den Eidechsen zu suchen. Es war Anfang Mai und bei etwa 20° C und Sonnenschein war das Wetter optimal dafür. Wir inspizierten die äußeren Burgmauern und in der Tat gibt es hier Bereiche, die gute Mauereidechsen-Habitate darstellen. Nur Mauereidechsen konnten wir an jenen Tag nicht finden.
Als wir Anfang 2012 erneut einen Hinweis über ein Mauereidechsenvorkommen an der Burg erhielten, war für uns klar, dass wir uns nochmals auf die Suche begeben würden. In einem Bereich an der äußeren Westmauer (Abb. 1 + 2), der uns schon im Jahr 2009 als gut geeignete Stelle aufgefallen war, wurden wir Mitte Mai 2012 dann auch tatsächlich fündig.

Abb. 3: Podarcis muralis nigriventris (Männchen)

Gleich zu Anfang unserer Exkursion fiel uns ein großes, grünes Männchen auf, dass sich in etwa zwei Meter Höhe an der Mauer sonnte (Abb. 3). Wir mussten nicht lange suchen, um noch einige weitere Tiere zu finden. Es waren alle Altersstufen vertreten, was auf eine reproduktionsfähige Population schließen lässt.
Färbung und Zeichnung dieser Tiere sprechen sehr dafür, dass es sich hierbei um die Unterart Podarcis muralis nigriventris handelt, deren natürliches Verbreitungsgebiet von Ligurien über die Toskana bis nach Neapel reicht.
Die Tiere an der Cadolzburg zeigen außerdem eine sehr große morphologische Übereinstimmung mit der allochthonen Population der Veste Oberhaus bei Passau und der Population an der Grundstraße in Dresden. Diese Vorkommen wurden bereits genetisch untersucht (Dr. WERNER MAYER, Naturhistorisches Museum Wien), wobei als geografische Herkunft der Nordhang des Apennin (Emilischer Apennin) festgestellt wurde. Vertreter dieser Region werden aktuell als P. m. nigriventris Typ II bezeichnet (SCHULTE et al. 2008).

Siehe Hinweis (Sep. 2021) am Ende des Artikels!

Abb. 4: Podarcis muralis nigriventris (Weibchen)

Einen Monat später besuchten wir die Burg erneut. Es war später Nachmittag und bei sonnigen Wetter betrug die Temperatur 26°C im Schatten. Bereits beim Verlassen unseres Autos (Ecke Burgstraße / Heidenberg) konnten wir Mauereidechsen entdecken. Diese Stelle liegt etwas unterhalb des Bereiches in dem wir bereits Mitte Mai fündig wurden (Abb. 5 - 8).

Abb. 5 + 6

Abb. 7: Oben Männchen, unten Weibchen
Abb. 8: Kurze Zeit später konnten wir beobachten, wie der Grundstein für die nächste Generation gelegt wurde.

Ziel dieser Exkursion war jedoch ein anderes mögliches Habitat, etwa hundert Meter den Heidenberg bergaufwärts. Dieser Bereich liegt relativ unzugänglich oberhalb eines ca. zwei bis drei Meter hohen Mauerabsatzes (Abb. 9). Die Stelle war uns schon bei der Begehung im Mai als "mauereidechsentauglich" aufgefallen, ohne hier jedoch Mauereidechsen sichten zu können. Offenbar ist es auch immer eine Frage des richtigen Augenblicks, denn bei unserer zweiten Suche konnten wir auch hier Mauereidechsen beobachten. Ein jüngeres Männchen sonnte sich unten am Mauerabsatz (Abb. 10) und einige andere sahen wir, als sie mit akrobatischer Höchstleistung die dahinter liegende hohe Burgmauer hinauf kletterten (Abb.11).

Abb. 9

Abb. 10: Podarcis muralis nigriventris (Männchen)

Abb. 11: An dieser Mauer konnten wir die überragenden Kletterkünste der Mauereidechsen live miterleben.

Auch wenn einiges dafür spricht, können wir nur darüber spekulieren, ob es sich bei den Cadolzburger Tieren um einen Ableger von einer der oben genannten allochthonen Populationen aus Passau bzw. Dresden handelt. Auch müssen wir darauf hinweisen, dass derartige Aussetzungen streng verboten sind und, so kurios es klingen mag, auch deren Wiederfang.

Bei Recherchen vor Ort und im Internet mussten wir feststellen, dass die Cadolzburger Mauereidechsenpopulation bis dato offenbar nahezu unbekannt war. Wir gehen deshalb auch davon aus, dass es sich hierbei um eine relativ junge Population handelt. Zu dem hatten wir den Eindruck, dass selbst im Kernbereich dieser Population durchaus noch Potenzial für mehr Individuen vorhanden ist. Eventuell sind diese "Lücken" aber auch dem sehr frostigen Winter 2011/2012 (bis -22° C) geschuldet. Es bleibt abzuwarten, ob noch eine Ausbreitung in andere Habitate der Burg erfolgen wird. Eine Ausbreitung über das Gelände der Burg, bzw. über das nähere Umfeld hinaus halten wir für unwahrscheinlich. Auf jeden Fall bleiben wir am Ball und werden zu gegebener Zeit darüber berichten.

Zum Abschluß noch ein paar "Burg-Impressionen"

Abb. 12: Podarcis muralis nigriventris (subadultes Weibchen)

Abb. 13 + 14: Podarcis muralis nigriventris (links Männchen, rechts Weibchen)

Abb. 15 + 16: Podarcis muralis nigriventris (Jungtiere)

Abb. 17 + 18: Podarcis muralis nigriventris (links Subadulti, rechts Pärchen)

Nachtrag 08.09.2021:

Inzwischen konnte die Herkunft dieser Tiere in Erfahrung gebracht werden. Demnach stammen sie von der Veste Oberhaus bei Passau. Nach neueren genetischen Untersuchungen sind diese Mauereidechsen der Venetien-Linie (Podarcis muralis maculiventris-Ost) zuzuordnen.
Es handelt sich wahrscheinlich um natürliche Hybride zwischen der Toskana- und Venetien-Linie aus der Region Bologna–Modena, die morphologische Charakteristika der Toskana-Linie (P. m. nigriventris) zeigen, aber basierend auf der mtDNA der Venetien-Linie (P. m. maculiventris-Ost) angehören (S. SCHWEIGER schriftl. Mitt.). Eingeschleppte Populationen dieser Linie finden sich weiträumig verteilt in Deutschland (
SCHULTE et al. 2011).