Fotoexkursion zu den Rieseneidechsen auf Gran Canaria
ANGELIKA und SIEGFRIED TROIDL
(10.05 - 15.05.2000)
Endlich war es wieder so weit, der lang ersehnte Urlaub hatte begonnen. Eine Woche in dieser schönsten Zeit des Jahres verbrachten wir auf der Urlaubsinsel Gran Canaria. Sie ist die drittgrößte Insel der Kanaren. Das Bergmassiv im Zentrum teilt die Insel in zwei unterschiedliche Landschaftszonen. Die Berghänge im Norden sind üppig bewachsen. Der Süden präsentiert sich als wüstenähnliche Region. Ausnahme bilden einige fruchtbare Täler. Im Süden sind dem Bergland größere Sandstrände vorgelagert. Die schönsten und längsten Strände befinden sich bei Maspalomas. Das Klima auf dem "Minikontinent" ist warm-gemäßigt. Die Temperaturen auf der Südhälfte der Insel sinken selten unter 19°C und steigen meist nicht über 25°C. Nur im Hochsommer kann es vorkommen, daß die heißen Saharawinde das Thermometer auf über 35° C hochtreiben. Im Nordteil der Insel liegen die Temperaturen etwas niedriger, da sich an den zentralen Gebirgen die Wolken stauen und gelegentlich auch abregnen. Die Pflanzenwelt ist auf Gran Canaria einzigartig. Gut 30% der dort vorkommenden Arten sind endemisch. Neben Sukkulenten und Euphorbien sowie der Kanarischen Dattelpalme und Feigenkakteen im Süden kommen im Norden eher Wacholdergewächse, der Drachenbaum sowie Bananen vor. In höheren Regionen (ab 1500m) wächst die Kanarische Kiefer.
Als Hobbyherpetologen und Hobbyfotografen galt natürlich, neben allen anderen Sehenswürdigkeiten der Insel, der heimischen Riesenkanareneidechse Gallotia stehlini unser besonderes Interesse. Diese Eidechsenart gilt als größter Vertreter der Gattung. Tiere mit Gesamtlängen von über 80cm sind beschrieben worden (Bischoff 1985). Gallotia stehlini ist noch in sehr hoher Anzahl verbreitet, ganz im Gegensatz zu anderen Kanarischen Rieseneidechsen, wie z.B. Gallotia simonyi auf El Hierro, Gallotia intermedia auf Teneriffa und vor allem Gallotia simonyi bravoana auf La Gomera. Letztere ist erst 1999 entdeckt worden und ist die seltenste und am meisten gefährdetste Eidechse der Kanarischen Inseln (Bischoff 2000).
Unser erster Ausflug führte uns zu der im Süden der Insel gelegenen Dünenlandschaft von Maspalomas. Mit Fotoapparrat und Rosinen bewaffnet, besuchten wir einige der größeren mit Buschwerk bewachsenen und landeinwärts gelegenen Dünen-Hügel. In den vegetationslosen Dünenbereichen kommt Gallotia stehlini nicht vor.
Wir hatten für diese Exkursion die Zeit zwischen 17 und 19 Uhr gewählt. Als erstes sind uns die vielen Laufspuren der Eidechsen aufgefallen. Zugleich konnten wir ein Rascheln im Gestrüpp hören, hervorgerufen von einigen Eidechsen, die durch unsere Anwesenheit aufgeschreckt waren. Wir verhielten uns ruhig. Nach einigen Minuten kam ein größeres Männchen aus den Büschen hervor. Nach unseren Schätzungen hatte dieses Tier eine Gesamtlänge von gut 60cm. Das Tier schien neugierig zu sein und näherte sich uns bis auf ca. drei Meter. Nach dem wir uns bewegt hatten, um die Kamera in Position zu bringen, verschwand es wieder. Es dauerte allerdings nicht lange, bis es wieder auf der Bildfläche erschien. Diesmal kam es noch näher an uns heran.
Meine Frau hatte die Kamera "schußbereit" und ich holte vorsichtig einige Rosinen aus der Tasche. Ich schnippte eine der Rosinen etwa zwei Meter vor meine Füße. Die Eidechse verfolgte unser Handeln aufmerksam und schlich in einem Abstand von etwa zwei bis vier Metern um uns herum. Wir entdeckten ein weiteres Tier im Unterholz, es handelte sich ebenfalls um ein stattliches Männchen. Plötzlich lief die erste Eidechse zielstrebig auf die Rosine zu und verspeiste sie. Das zweite Männchen kam jetzt näher. Ich versuchte die Rosinen plaziert vor die Tiere zu werfen. Die zweite Eidechse interessierte sich allerdings für die Rosine in der Nähe des ersten Tieres. Dieses senkte den Kopf und stürmte auf den Eindringling zu. Sofort zog sich der Eindringling mit lauten Quietschen zurück und die Rangordnung war wieder hergestellt. Nach etwa einer halben Stunde und gut einer Hand voll Rosinen fanden sich sieben Eidechsen an der Futterstelle ein. Alle Tiere waren ausgewachsene Männchen, die einerseits mit Fressen und andererseits damit beschäftigt waren, die Artgenossen auf Abstand zu halten. Es entwickelte sich ein richtiger Futterneid, aber das erste Tier, das vermutlich auch das älteste war, blieb stets Chef im Ring. Am Ende der Fütterung kam dieses Tier bis direkt an meine Füße heran.
Die meisten dieser Männchen zeigten deutliche Spuren von Auseinandersetzungen, wie zum Beispiel Vernarbungen und Schwanzregenerate. Einem Tier fehlte die vordere Spitze des Oberkiefers. Offensichtlich ist der innerartliche Konkurrenzdruck in den Dünen besonders groß. Wir versuchten natürlich auch Weibchen und Jungtiere vor die Kamera zu bekommen. Diese wagten jedoch nicht, an diesen Mahl teilzunehmen. Uns ist ohnehin aufgefallen, daß die Weibchen sich fast nur im dichten Gestrüpp aufhielten und eine deutlich höhere Fluchtdistanz hatten. Wir brachten die Kamera an einer Stelle mit dichtem Buschwerk in Position. Einige kleinere Eidechsen kletterten im Inneren der Hecke herum. Wir warteten eine ganze Weile bis eines der Tiere, vermutlich ein Weibchen, in unsere Richtung kletterte. Das Warten hatte sich gelohnt und wir konnten noch einige Fotos schießen.
Nach insgesamt gut zwei Stunden und jeder Menge Bilder im Kasten traten wir den Rückzug an. Ein 326 ha großes Areal der Dünenlandschaft ist bereits zu einem besonderen Naturschutzgebiet erklärt worden. Dennoch ist das ökologische Gleichgewicht dieser Region gefährdet. Die seltene, dem trockenen Gebiet angepaßte Flora und Fauna wurde bereits erheblich dezimiert. Immerhin haben die spanischen Behörden dafür gesorgt, daß keine weiteren Bauvorhaben im Dünengebiet verwirklicht werden (Baedeker 1994). Zu der Situation der noch zahlreichen Rieseneidechsen ist anzumerken, daß die Dünenpopulation bereits weitgehend isoliert ist. Es bleibt zu hoffen, daß auch in ferner Zukunft Erlebnisse wie diese noch möglich sind.
Ein weiterer Höhepunkt unseres Aufenthalts war der Besuch des Palmitos-Park. Nur wenige Kilometer landeinwärts von Maspalomas entfernt, am Ende eines canyonähnlichen Tales gelegen, befindet sich dieser wunderschön angelegte Palmen- und Kakteengarten. In den zahlreichen Volieren sind viele Arten exotischer Vögel zu sehen, vorrangig aus der Gruppe der Papageien. Außerdem gibt es ein Schmetterlingshaus, eine Affeninsel und ein großes Aquarienhaus. Dort sind rund 300 Arten Süß- und Salzwasserfische zu sehen. Dieser Park mit seiner üppigen Flora bietet natürlich auch den Rieseneidechsen einen hervorragenden Lebensraum.
Eine Rundfahrt mit dem Bus führte uns weiter ins Zentrum der Insel nach Soria. Der Ort liegt auf etwa 800 m und befindet sich oberhalb des Soria-Stausees. Hier konnten wir den Bus für gut eine halbe Stunde verlassen. Wir wollten den kurzen Aufenthalt nutzen, um auch hier einige Eidechsenbilder zu schießen. Etwas abseits, zwischen einigen Gärten wurden wir fündig. Die Eidechsen befanden sich an einer Legesteinmauer, die von Feigenkakteen und Agaven überwuchert war. Leider waren diese Tiere extrem scheu und flüchteten sofort bei jeder Annäherung. Obwol es sehr viele Eidechsen gab, war es uns in der kurzen Zeit, die uns zur Verfügung stand, nicht möglich brauchbare Bilder zu bekommen. Es hatte den Anschein, daß die Tiere hier in den Bergen nicht so großwüchsig waren. Die größte Eidechse, die wir entdecken konnten, war deutlich unter 50cm Gesamtlänge. Diese Einschätzung ist natürlich, gemessen an dem sehr kurzen Beobachtungszeitraum, rein spekulativ. Die Färbung war dunkelgrau bis schwarz und entsprach im wesentlichen dem der Tiere im Palmitos-Park.
Die Rieseneidechsen von Gran Canaria gehören zweifellos zu den eindruckvollsten Erscheinungen der kanarischen Tierwelt. Durchstreift man etwas abseits das Gelände und hat die Gelegenheit, eines der größeren Männchen zu beobachten, so könnte man sich durchaus in vergangene Epochen zurückversetzt fühlen. Knochenfunde auf La Gomera (Helmdag 2000) belegen, daß in früheren Zeiten Eidechsen von bis zu 1,5 Metern Länge die Inseln bevölkerten. Aber auch die Begegnung mit diesen Tieren war immer wieder ein besonderes Erlebnis.
Fotos und Texte: © A.+S. Troidl
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