Herpetologische und andere Funde bei Bodrum, SW-Türkei
GUNTRAM DEICHSEL, Biberach an der Riß
guntram.deichsel@gmx.de
Einleitung
Franzen et al. (2008) nennen 65 Arten von Amphibien und Reptilien für die Südwest-Türkei. Entsprechend hoch waren meine herpetologischen Erwartungen während zweier Badeurlaube in Hotelanlagen in Yaliçiftlik, etw 8 km SE von der Stadt Bodrum in der Provinz Muğla vom 4.-11. Juni und vom 1.-10. Oktober 2012. Ich habe in dem Areal nicht systematisch nach Tieren gesucht, sondern nur „zufällige Funde am Wegesrand“ registriert und ihre Fundumstände dokumentiert.
Die unerwartet geringe Beobachtungsdichte von Reptilien und Amphibien überraschte mich; so erwies sich die von Touristen überschwemmte Stadt Bodrum (ca. 30000 Einwohner) als eine „herpetologische Wüste“. Die dortige ausgedehnte Burganlage wurde von 1402 an von dem deutschen Kreuzritter-Architekten Heinrich Schlegelholt zur heutigen Größe ausgebaut und ist Pflichtprogram für jeden Touristen. Sie beherbergt ein international renommiertes archäologisches Museum mit Exponaten aus Grabungen und ein Museum, das der jungen Disziplin der Unterwasserarchäologie gewidmet ist und gesunkene Schiffe der Antike und deren Ladung präsentiert. Nach dem Fund des Grabes der so genannten „Karischen Prinzessin“ 1990 wurde ihr Gesicht mit modernen kriminaltechnischen Methoden anhand ihres Schädels rekonstruiert – dies nur als Beispiel für die vielen positiven Überraschungen, die der Besucher erlebt, und die mich bei meinem Besuch im Oktober entschädigt haben für die fehlenden Reptilien an den durchaus „echsentauglichen“ Mauern und in den Grünanlagen der Burg mit vernachlässigten Ruderalstrukturen, die augenscheinlich ideale Habitate darstellen.
Ich bekam jedenfalls keine der „Eidechsen und Schlangen“ zu Gesicht, die ohne Artangabe auf einer Hinweistafel zur Fauna des Burgareals genannt werden – bis auf eine Ausnahme: Der „Schlangenturm“ diente bis in die osmanische Zeit als medizinisches Versorgungszentrum der Burg. Als solches ist er durch ein steinernes Schlangenrelief an einer Außenmauer, das in jüngerer Zeit um eine metallene Schlangenplastik ergänzt wurde, gekennzeichnet. Im Inneren des Turms wird ein „Symposium“ von Amphoren, die nach Art eines Amphitheaters um einen Schlangenstuhl im Zentrum gesetzt sind, präsentiert.
Die archäologischen Stätten „Lindos-Tor“ und „Mausoleum von Halikarnassos“ (eines der antiken sieben Weltwunder) erwiesen sich bei einem Besuch um die Mittagszeit im Juni reptiliennegativ. In der Brunnenanlage des Mausoleums waren trotz üppiger Wasser- und Sumpfvegetation keine Frösche zu sehen.
Beobachtete Reptilien in Yaliçiftlik
Obwohl die besuchten Hotelanlagen nach einem ökologischen Kodex geführt werden, waren sie praktisch echsenfrei bis auf wenige Hemidactylus turcicus, die man nachts an Gebäudewänden und an in Mauern eingelassene Lampen entlang von Fußpfaden beobachten konnte, und ebenso wenige Stellagama stellio daani, die sich den ganzen Tag über an Treppenanlagen und auf Mauern zeigten. Jeweils ein Ophisops elegans macrodactylus wurde im Juni und im Oktober gesichtet. Eine frisch überfahrene Lacerta trilineata diplochondrodes fand ich in der Nähe des wasserführenden Mündungsbereichs eines Baches im Juni.
Nach Auskunft von Hotelpersonal besuchen Schlangen („Black Mountain Snake“) gelegentlich die Hotelgärten. In der Nachbarschaft einer Hotelanlage beobachtete ich im Juni eine fliehende Dolichophis j. jugularis und im Oktober fand ich ein Natternhemd mit – zu dieser Art passend – 19 Schuppen um die Körpermitte.
Höhepunkt war eine junge (30 cm) Montivipera xanthina, die ich im Juni nachts beim langsamen Konzertina-Kriechen über den glatten Asphalt einer Straße überraschte. Ich sammelte sie auf, um sie nicht dem Risiko einer Verletzung durch Autos auszusetzen und entließ sie am nächsten Morgen in ein nur zu Fuß erreichbares Macchiengelände.
Mauremys rivulata entdeckte ich in großer Zahl im wasserführenden Mündungsbereich eines ansonsten trockengefallenen Bachs. In der Deckung des Schilfbestandes war Annäherung auf bemerkenswerte 3 m möglich. Die Fluchtdistanz bei ungedeckter Annäherung betrug mindestens 20 m.
Amphibienfunde in Yaliçiftlik
Auf einer Straße entlang des „Mauremys-Baches“ fand ich den platten Kadaver einer Bufo variabilis. Der vegetationslose Mündungsbereich eines anderen Baches inmitten der Ortschaft, wo er unterirdisch durch den Kiesstrand ins Meer entwässert, war von einer großen Zahl Pelophylax ridibundus sensu latu besiedelt. Die Nomenklatur habe ich aus Franzen et al. (2008) entlehnt.
Der systematische Status der südwesttürkischen Wasserfrösche wird jedoch noch diskutiert und noch zu klären sein, was mir Werner Mayer, Axel Kwet und Burkhard Thiesmeier freundlicherweise bestätigten. Ich bin Michael Franzen zu Dank verpflichtet, der mir in einer E-Mail vom 26. November 2012 den gegenwärtigen Stand der Diskussion schildert:
„Den neuesten Stand zu den Grünfröschen der Region bieten Plötner et al. (2012). Die bezeichnen im Kladogramm S. 271 Tiere aus West- und Zentralanatolien als cf. bedriagae 2 und solche aus dem Südosten als cf. bedriagae 1. Mit der Bezeichnung Pelophylax cf. bedriagae wären Sie also auf der sicheren Seite.“
Bemerkenswerte weitere Funde
Bei der Aussetzung der Montivipera xanthina in dem oben erwähnten Macchiengelände fiel mir eine 8 cm lange Sägeschrecke Saga rhodiensis auf.
In einem Pinienhain zirpten nach Einbruch der Dämmerung Gryllus bimaculatus im Oktober. Sie scheinen, jahreszeitlich bedingt, die von mir vermissten Zikaden abgelöst zu haben. Eine Späte Schachbrett-Herbstzeitlose Colchicum variegatum blühte am Rande einer Viehweide in Yaliçiftlik. Für diese Art ist in der Wikipedia (dortige ungenannte Quelle nach Peter Schönfelder in einer E-Mail an mich: Davis (1984)) 150 m ü NN als untere Grenze der Höhenverbreitung angegeben. Insoweit ist dieser Fund an der Küste bemerkenswert.
Abbildungen
Literatur
(1) Davis, P. H. (1984) Flora of Turkey, vol. 8: 344
(2) Franzen M., M. Bußmann, T. Kordges, B. Thiesmeier (2008): Die Amphibien und Reptilien der Südwest-Türkei. Bielefeld: Laurenti
(3) Plötner J, Baier F, Akın C et al. (2012): Genetic data reveal that water frogs of Cyprus (genus Pelophylax) are an endemic species of Messinian origin. Zoosyst. Evol. 88 (2), 261–283 / DOI 10.1002/zoos.201200021
(4) http://de.wikipedia.org/wiki/Sp%C3%A4te_Schachbrett-Herbstzeitlose, eingesehen am 2012-Dec-23
Dank
Ich danke den Herren Axel Hochkirch (Universität Trier) für die Bestimmung der Insekten und Werner Mayer (Naturhistorisches Museum, Wien), Axel Kwet (Fellbach), Burkhard Thiesmeier (Bielefeld) und Michael Franzen (Zoologische Staatssammlung München) für die Diskussion der Artstatus der Amphibien. Die Herren Hans Laux und Karl Keck (Biberach an der Riß), bestimmten die Herbstzeitlose. Peter Schönfelder (Universität Regensburg) kommentierte die Angaben zur Höhenverteilung in der Wikipedia dieser Blume und gab mir den Literaurhinweis auf Davis (1984) als vermutete, aber nicht zitierte Quelle.
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