Reptilien am Trockenmauerrundweg Niedereggenen (Landkreis Lörrach)
GUNTRAM DEICHSEL, November 2014
Oberhalb der Kirche in Niedereggenen beginnt ein Rundweg der besonderen Art: ein Spaziergang durch ein traumhaft schönes altes Rebgebiet mit vielen alten Trockenmauern aus Kalkstein. Das relativ kleine Areal, das der Rundweg umschließt, ist wegen seines Reichtums an unterschiedlichen Geländestrukturen mit einer Reptilienfauna von überraschend hoher Diversität besiedelt.
Abb. 1: Der untere Abschnitt des Rundwegs mit Trockenmauer, Weinbergbrache, Gehölz und den Dörfern Niedereggenen und Obereggenen im Hintergrund.
Mauereidechsen (Podarcis muralis brongniardii) sind an den Mauern bei sonnigem Wetter in großer Zahl nicht zu übersehen.
Abb. 2: Männliche Mauereidechse.
Abb. 3: Weibliche Mauereidechse.
Abb. 4: Mauereidechsenpaarung. Das Männchen verbeißt sich in der Flanke des Weibchens, um ein mechanisches Widerlager beim Aneinanderpressen der Kloaken herzustellen (Foto Dorothee Kling).
Zauneidechsen (Lacerta agilis agilis) findet man seltener an den Mauern, dafür aber häufiger als Mauereidechsen am Waldrand und an sonnenexponierten Stellen in den Streuobstwiesen und Gärten.
Abb. 5: Junge Zauneidechse.
Abb. 6: Trächtige weibliche Zauneidechse (Foto Dorothee Kling).
Abb. 7: Männliche Zauneidechse.
Eidechsen spielen eine humanmedizinische Rolle – sie sind auch Zwischenwirte von Zecken. Zecken, die Eidechsenblut gesaugt haben, werden borreliosefrei. Auf diese Weise vermindern Eidechsen das Risiko für Menschen, nach einem Zeckenbiss an Borreliose zu erkranken.
Abb. 8: Portrait einer männlichen Zauneidechse mit Zeckenbefall.
Blindschleichen (Anguis fragilis fragilis) sind keine Schlangen, sondern fußlose Eidechsen. Sie führen eine verborgene Lebensweise in Wiesen und Gärten und ruhen oft in Mauerspalten am Fuß der Mauern und unter Steinen auf der Mauerkrone. Mit etwas Glück kann man aber ein Tier beim Sonnenbaden entdecken – mit viel Glück auch auf der Jagd nach Nacktschnecken, ihre Hauptbeute.
Abb. 9: Blindschleiche beim Sonnenbad.
Abb. 10: Diese Blindschleiche frisst einen Tigerschnegel (Limax maximus)
Schling- oder Glattnattern (Coronella austriaca) halten sich bevorzugt im Spaltensystem der Mauern auf. Sie sonnen sich meist halb verborgen in der Vegetation oder zwischen Mauersteinen und werden wegen ihrer unauffällig grauen oder braunen Färbung oft übersehen. Am ehesten kann man noch ihre abgestreifte Haut, ein so genanntes Natternhemd entdecken.
Abb. 11: Natternhemd einer Schlingnatter.
Abb. 12: Diese männliche Schlingnatter sonnt sich typischerweise halb verborgen. Der irisierende Glanz der Schuppen führte zu ihrem zweiten Namen »Glattnatter« (Foto Dorothee Kling).
Abb. 13: Diese weibliche Schlingnatter ist trächtig und wagt ein offenes Sonnenbad, weil sie zur Reifung der Embryonen möglichst viel Wärme benötigt. Schlingnattern sind lebendgebärend.
Abb. 14: Kommt man einer Schlingnatter zu nahe, so nimmt sie wie hier gegenüber dem Fotografen eine Verteidigungsstellung ein. Ruhende Schlingnattern fliehen meistens nicht, weil sie ihrer Tarnung vertrauen. Sie versuchen aber zu beißen, wenn sie sich bei Annäherung bedroht fühlen. Ein Biss hinterlässt ein paar Blutstropfen, ist aber ansonsten genauso harmlos wie eine durch Dornen verursachte Risswunde. Als Vorsichtsmaßnahme sollten solche Wunden desinfiziert werden, um eine Wundinfektion zu vermeiden.
Barrenringelnattern (Natrix natrix helvetica) duchstreifen Wiesen und Gärten auf der Jagd nach Beute und nutzen Spalten am Fuß der Mauern gerne als Versteck. Im Gegensatz zur Nominatform der Ringelnatter (Natrix natrix natrix), sind die ansonsten arttypischen leuchtend gelben Nackenflecke bei der Barrenringelnatter oft verblasst. Die Flankenzeichnung – schwarze längliche Querflecke, so genannte »Barren« – ist namengebend für diese westliche Unterart der Ringelnatter.
Abb. 15: Diese Barrenringelnatter quert den Rundweg.
Abb. 16: Gegenüber dem Fotografen zeigt sie ein imponierendes Mimikryverhalten: durch Ausstellen der beweglichen Kiefer bekommt der Kopf eine dreieckige Form und verleiht damit dem Tier den Anschein, eine giftige Viper zu sein. Die runden Pupillen weisen sie aber als harmlose Natter aus. Die Barren an der Flanke sind im vorderen Körperteil deutlich zu erkennen.
Beide Schlangenarten des Rundweges, Schlingnatter und Ringelnatter, sind ungiftig. Bei einer Begegnung – ein seltenes Ereignis, das einen Glücksfall darstellt – besteht also kein Anlass zur Panik! Bleiben Sie stehen und beobachten Sie die Schlange, ohne sie zu stören. Sie wird Sie niemals angreifen, sondern in aller Regel vor Ihnen fliehen. Alle unsere Reptilienarten stehen unter strengem Naturschutz. Die Erhaltungs- und Pflegemaßnahmen der Trockenmauern dienen auch dem Schutz der Tiergruppe der Reptilien, die ansonsten in unserer fortschreitend steriler werdenden Kulturlandschaft immer seltener werden oder örtlich bereits ausgestorben sind.
Verfasser: Guntram Deichsel, Biberach an der Riss.
Text und Bilder, soweit nicht angegeben, © Guntram Deichsel 2014. Dieser Artikel ist auch auf der Homepage des Eggenertals eingestellt.