1/1

Beobachtungen an einer nektarfressenden Population der Mauereidechse (Podarcis muralis maculiventris) auf der Halbinsel Grado (Italien)

DOMINIK HAUSER, Dezember 2015

Mitte August 2015 wurde ich zu einem Kurzurlaub auf der italienischen Halbinsel Grado eingeladen. Grado ist eine natürlich entstandene Nehrungshalbinsel, die heute nur noch über zwei Brücken mit dem Festland verbunden ist. Da es sich um ein touristisch gut erschlossenes Gebiet handeln sollte, waren die Erwartungen nicht sehr groß, viele Vertreter der italienischen Herpetofauna zu entdecken. Tatsächlich blieb es dann auf der Halbinsel selbst auch bei den Mauereidechsen (Podarcis muralis maculiventris), die man im gesamten Stadtgebiet immer wieder einmal vereinzelt beobachten konnte.

Bei einem kurzen Spaziergang um die Mittagszeit bemerkte ich am nördlichen Ende der zur Stadt Grado gehörigen Isola della Schiusa eine erstaunlich hohe Dichte an Mauereidechsen. An einem etwa 100 m langen Uferstück der Lagune von Grado waren nahezu auf jedem Meter Eidechsen zu finden. Der Lebensraum bestand aus einer bewachsenen Böschung zwischen der salzhaltigen Lagune und einem Parkplatz (Abb. 2). Betonplatten, Steine und verschiedenster Müll boten neben den Pflanzen Strukturen zum Sonnenbaden. Besonders im Bereich einiger größerer blühender Stauden hielten sich hier sehr viele Eidechsen auf (Abb. 3). An einer dieser Pflanzen, die etwa einen Quadratmeter Fläche bedeckte, waren sechs adulte Tiere gleichzeitig in den Blüten zu finden. Offensichtlich tolerierten sich hier sogar Männchen kurzzeitig auf engstem Raum. Bei der weiteren Beobachtung zeigte sich, dass sich die Tiere hier nicht nur zum Sonnenbaden aufhielten. Die Eidechsen kletterten viel mehr von Blütenstand zu Blütenstand und leckten immer wieder kurzzeitig an einzelnen Blüten (Abb. 4). Später konnte ich diese Pflanze dann als Meerfenchel (Crithmum maritimum) bestimmen.

Abb. 1: Podarcis muralis maculiventris (männlich).

Abb. 2: Parkplatz an der salzhaltigen Lagune.

Abb. 3: Podarcis muralis maculiventris auf einer blühenden Staude.

Abb. 4: Diese Eidechsen lecken an Meerfenchel Blüten (Crithmum maritimum).

Dass viele Lacertiden gerne einmal auch pflanzliche Kost und dabei besonders auch Süßes zu sich nehmen, ist allgemein bekannt. Auch, dass gerade die inselbewohnenden Arten immer wieder gezielt Nektar aufnehmen. Für die Mauereidechse hielt ich es aber für eher ungewöhnlich, da mir dieses Verhalten in solch einem Umfang noch nicht bekannt war. Im Terrarium zeigten von mir gehaltene italienische Mauereidechsen (Podarcis muralis nigriventris) an Honig kein großes Interesse. Meist war nach einem kurzen Versuch das Interesse auch direkt wieder verloren.

Am nächsten Mittag brachte ich den Tieren am Strand also versuchsweise ebenfalls etwas Honig vom Frühstücksbuffet mit. Der Honigbecher schien für die Tiere tatsächlich nicht uninteressant zu sein. Nach kurzer Zeit hatten sich bereits zwei Tiere eingefunden, die sich für einige Zeit am Becher aufhielten und immer wieder Honig schleckten (Abb. 5). Später fanden sich noch weitere Eidechsen ein, um sich am Honig zu bedienen. Ein am Vortag ausgelegter überreifer Pfirsich fand dagegen keine Beachtung.

Abb. 5: Auch der angebotene Honig wurde angenommen.

Abb. 6: Mauereidechse.

Es scheint also, als ob sich die Eidechsen an diesem Uferabschnitt der Lagune auf das saisonale Nektarangebot durch den Meerfenchel eingestellt haben, da sich nahezu alle Tiere während der Beobachtung im Bereich der Pflanzen aufhielten. Möglicherweise profitieren sie neben dem Nektar auch von den blütenbesuchenden Insekten. Während der etwa einstündigen Beobachtungen an den zwei Tagen konnte ich jedoch nur die Aufnahme von Nektar beobachten.

 

Verfasser: Dominik Hauser (E-Mail: dominik_hauser@gmx.de)