Eingeschleppte Mauereidechsen am Bahnhof von Augsburg

Eingeschleppte Mauereidechsen am Bahnhof von Augsburg

JÜRGEN GEBHART
Oktober 2008

Mitte dieses Jahres erhielt ich eine Meldung über einen Mauereidechsen-Fund (Podarcis muralis) in der Nähe des Augsburger Bahnhofs. Aus Zeitmangel konnte ich dieser Information aber nicht sofort nachgehen. Im September erfuhr ich dann von einer weiteren Sichtung in diesem Bereich. Es wurden 15 Tiere gesehen, hauptsächlich Jungtiere und auch die Lage des Fundortes wurde genauer beschrieben. Er befindet sich nördlich des Bahnhofs bei den Gleisanlagen. Bei einer ersten Begehung am 01.10., bei nicht optimalen Wetterbedingungen, konnte ich jedoch keine Mauereidechsen ausfindig machen.
Am 11.10. besuchte ich diese Stelle erneut. Der Nebel verschwand an diesem Tag um ca. 14.30 Uhr. Als ich gegen 15.00 Uhr am angegebenen Fundort ankam, konnte ich auch sofort ein Jungtier entdecken (Abb. 2).

Abb. 1 (Mauereidechsen-Habitat im Bahnhofsgelände)

Abb. 2 (Podarcis muralis, Jungtier)

Auf einem Teilstück von etwa 100 Meter konnten im Laufe der Begehung 2 große adulte Männchen (Kopfrumpflänge 6,5 cm, Gesamtlänge 18 cm), einige kleinere Männchen, 6 adulte Weibchen, etliche Halbwüchsige und eine große Zahl von einigen Wochen alten Jungtieren gefunden werden. Alles in allem ca. 50 Tiere.

Abb. 3 (Mauereidechsen-Habitat im Bahnhofsgelände)

Die meisten Mauereidechsen fand ich in einem Bereich mit Steinplatten und Betonsockel (Abb. 3). Wo die Platten zu Ende waren, konnten nur noch vereinzelt Tiere in der Vegetation gefunden werden.

Abb. 4 (Podarcis muralis, Männchen)

Abb. 5 (Podarcis muralis, Männchen)

Abb. 6 (Podarcis muralis, Männchen)

Aur Grund der Zeichnung und Färbung dieser Mauereidechsen liegt die Vermutung sehr nahe, dass es sich hierbei die Unterart P. m. maculiventris handelt.

Abb. 7 (Podarcis muralis, Weibchen)

Abb. 8 (Podarcis muralis, Weibchen, Brandopfer)

Die Lage des Fundortes, an einer Gleisanlage in der Nähe des Bahnhofs, lässt auf eine Einschleppung durch den Güterverkehr schließen.
Bezüglich des Zeitpunktes der Ansiedlung konnte ich leider nichts in Erfahrung bringen. Da die Population aber hauptsächlich aus Halbwüchsigen und Jungtieren besteht und der Lebensbereich noch auf ein kleines Areal beschränkt ist, gehe ich von einer Ansiedelung in jüngerer Vergangenheit (vor circa 3 - 5 Jahren) aus.

Abb. 9 (Podarcis muralis, Männchen)

Abb. 10 (Podarcis muralis, Pärchen)

Abb. 11 (Podarcis muralis)


Nachtrag 19.11.08:

Vor Kurzem sind die Mauereidechsen aus Augsburg genetisch untersucht worden (Dr. Werner Mayer, Naturhistorisches Museum Wien). Es handelt sich dabei nach der mtDNA um Podarcis muralis maculiventris (Gruppe West), dessen natürliches Areal sich von Ligurien über den größten Teil der Poebene (westlicher Teil) und Tirol bis ins Bayrische Oberaudorf erstreckt.


Nachtrag 12.07.09:

Dieses Jahr (2009) konnten bei drei Begehungen durch Bekannte und mich beim ersten Mal zwei Tiere, beim zweiten Mal kein Tier, beim dritten Mal kein Tier gefunden werden. Somit halte ich die Population "Augsburg Bahnhof" für erloschen. Möglicher Grund dafür könnte der lange und harte Winter 2008/2009 gewesen sein. Jürgen Gebhart

Nachtrag 22.09.09:

Bei einer Begehung des Bahngeländes zwischen Augsburg Hauptbahnhof und der Bahnbrücke über die Wertach am 19.09.2009 konnte ich zusammen mit Herrn Dürr 110 Mauereidechsen zählen. Nach Kenntnis von Herrn Dürr ist auch der gegenüberliegende Rand der Bahntrasse besiedelt, sowie die Areale zwischen den Gleisen. Diese hatten wir am 19.09.2009 nicht begangen, so dass der Gesamtbestand größer als 110 Tiere ist. Es waren alle Altersstufen vertreten. Der Population geht es demnach aktuell sehr gut. Günter Hansbauer

Nachtrag 27.08.10:

Aufgrund von Planungen zu den sog. "Ladehöfen", des ehemaligen Güterbahnhofs unmittelbar südlich des Hauptbahnhofs, habe ich dort in diesem Frühjahr und Sommer kartiert und in den dortigen Gleisresten - ohne direkte Anbindung an die befahrenen Gleisstränge - weitere geschätzte ca. 20-30 Mauereidechsen gefunden. Das Areal erstreckt sich bis kurz hinter die Straßenbrücke der Gögginger Straße über die Bahngleise. Wie es vor der neuen Lärmschutzwand (= auf Seite der Gleise) aussieht, weiß ich nicht; eine Fortsetzung nach Süden, in Richtung München bzw. Haunstetten, ist aber denkbar. (Zauneidechsen waren nirgends vorhanden.)

Hier zeigt sich übrigens wieder eine Absurdität des aktuellen deutschen Artenschutzrechts: Bei einer (geplanten) Bebauung muss jetzt eine gebietsfremde Unterart einer streng geschützten Art mit Maßnahmen "krampfhaft" erhalten werden. Weder ökologisch noch allgemein-naturschutzfachlich ist das meines Erachtens sinnvoll. Ralf Schreiber