Südeuropäische Mauereidechsen bei Neuötting
JÜRGEN GEBHART
Oktober 2008
Die in Süd-Ost-Bayern gelegene etwa 8500 Einwohner zählende Kleinstadt Neuötting ist auf den ersten Blick nicht gerade ein Ort, an dem man eingeschleppte Eidechsen aus südlichen Gefilden vermuten würde. Dennoch sollte dies, laut einer Veröffentlichung von ULRICH SCHULTE, BURKHARD THIESMEIER, WERNER MAYER & SILKE SCHWEIGER (2008), mit dem Titel "Allochthone Vorkommen der Mauereidechse (Podarcis muralis) in Deutschland" der Fall sein. In dieser Veröffentlichung ist neben 71 anderen allochtonen Mauereidechsen Standorten auch Neuötting aufgeführt. In einer Übersichtstabelle sind die folgenden Eckdaten für diesen Standort aufgelistet: Bahnhof Neuötting, Gebäuderuine, Bahnhofsgebäude, Aussetzung vor 2000, genetisch bestimmt: P. m. maculiventris West (ZAHN 2007, 2008).
Mitte Oktober fasste ich, nach guten Wetterprognosen, kurzfristg den Entschluss diese Population aufzusuchen. Vor Ort musste ich allerdings feststellen, dass es in Neuötting zwar die Bahnhofstraße gibt, aber keinen Bahnhof. Der nächste Bahnhof befindet sich entweder in Altötting oder in einem kleinen 2 km entfernten Ort. Der Ort heißt Eisenfelden und dort befindet sich am stillgelegten Bahnhofsgebäude die Mauereidechsenpopulation.
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Abb. 1 (Mauereidechsen-Habitat am stillgelegten Bahnhofsgebäude)
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Abb. 2 (Mauereidechsen-Habitat am stillgelegten Bahnhofsgebäude)
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Abb. 3 (Mauereidechsen-Habitat am stillgelegten Bahnhofsgebäude)
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Als ich um 11.00 Uhr an dem ehemaligen Bahnhofsgebäude ankam, konnte ich bei einer ersten Begehung um den maroden Gebäudekomplex keine Mauereidechsen ausfindig machen. Nach einer kurzen Pause begab ich mich erneut auf die Suche und entdeckte ziemlich schnell ein Weibchen und ein Jungtier (Abb. 4).
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Abb. 4
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Abb. 5
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Gegen 11.30 Uhr war die Population vollends erwacht. Die meisten Tiere konnte ich am mit Holzplatten und Brettern verbarrikadierten Haupteingang beobachten. Mir fielen relative viele Jungtiere mit fehlenden Schwänzen (Abb. 5) und Halbwüchsige mit Regeneraten und Narben auf (Abb. 6).
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Abb. 6
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Grund dafür könnten, außer innerartlichen Agressionen, unter anderem Schlingnattern (Abb. 7 und 8) sein, die auch dort ihren Lebensraum haben und von den Eidechsen als Nahrungsquelle providieren
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Abb. 7 (Schlingnatter, Coronella austriaca)
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Abb. 8 (Schlingnatter, Coronella austriaca)
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Die geschätzte Größe der Mauereidechsen-Population beträgt ca. 50 Tiere, wobei ein großer Teil davon auf Jungtiere und Halbwüchsige entfällt.
An Gebäuden in der Nachbarschaft, den Gleisanlagen und der näheren Vegetation konnten keine Eidechsen gefunden werden.
Fazit: Falls das Gebäude nicht „eidechsengerecht“ restauriert oder sogar abgerissen wird, wird es diese Population nicht mehr geben.
Nachfolgend noch einige Abbildungen, die sehr schön einen morphologischen Eindruck dieser kleinen "Inselpopulation" wiedergeben.
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Abb. 9
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Abb. 10
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Abb. 11
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Abb. 12
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Abb. 13 (Jungtier)
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Abb. 14
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Abb. 15
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Abb. 16
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Abb. 17
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Abb. 18 (Jungtier)
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Literatur:
SCHULTE, U., THIESMEIER, B., MAYER, W. & S. SCHWEIGER (2008): Allochthone Vorkommen der Mauereidechse (Podarcis muralis) in Deutschland. – Zeitschrift für Feldherpetologie, 15: 139-156.
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