Podarcis muralis bei Leipzig
ANGELIKA & SIEGFRIED TROIDL, April 2004
In einem Steinbruch in der Nähe von Ammelshain (etwa 25 km südöstlich von Leipzig) wurde Anfang der 90er Jahre eine Population von Mauereidechsen (Podarcis muralis) entdeckt. Über dieses Vorkommen wurde bereits im Jahr 1994 berichtet. Außerdem war diese Population das Thema einer Diplomarbeit im Jahr 2000 (siehe Literaturhinweise).
Während eines Aufenthaltes in Sachsen nutzten wir die Gelegenheit, diesen Fundort aufzusuchen. Der in einem Naturschutzgebiet gelegene Steinbruch ist zum größten Teil mit Wasser gefüllt und bietet nur an seiner Nordseite einen etwa 150 Meter langen Uferstreifen, der in eine ca. 10-25 Meter hohe Steilwand übergeht. In diesem Abschnitt sind Geröllhalden, sandige Bereiche und flachere Habitate in Ufernähe anzutreffen. Nur hier in diesem süd- bis südöstlich exponierten Bereich des Steinbruchs konnten wir die Mauereidechsen ausfindig machen.
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Blick aus südöstlicher Richtung. Der Wasserspiegel befindet sich, laut GPS-Navigator, auf einer Höhe von 145 m NN.
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Uferbereich im nordwestlichen Teil des Steinbruchs
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An dieser Stelle konnten wir sehr viele Jungtiere beobachten
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Blick auf die Abbruchkante aus westlicher Richtung
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Eine Begehung des Uferstreifens ist ohne weiteres nicht möglich, da es keinen Zugangsweg gibt und der Bereich komplett von Steilwänden umgeben ist. Wir hatten aber dennoch genug Möglichkeiten, Eidechsen vor die Kamera zu bekommen. Hierzu wählten wir Standorte direkt an der Abbruchkante der Steilwand und einen Bereich am nordwestlichen Ende des Biotops, wo ein mehrere Meter breiter Vorsprung gute Voraussetzungen für Aufnahmen nach unten in den Steinbruch und auch nach oben in die Steilwand geschaffen hatte. Überall an diesen Stellen waren zahlreiche Jungtiere, Subadulti und Adulti zu beobachten. Wir waren sehr überrascht über die hohe Populationsdichte und über die große Anzahl von Jungtieren, die noch über die Abbruchkante hinaus, einige Meter in den Waldgürtel hinein, anzutreffen waren. Sicher steht der hohe Anteil der Jungtiere mit dem warmen Sommer 2003 im Zusammenhang.
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Jungtier
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Adultes Männchen
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Bei diesem Weibchen kamen wir bis auf etwa 30cm heran
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Adultes Männchen
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Pärchen
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Adult
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Diese graubraun bis braun gefärbten Eidechsen sind perfekt an ihr Habitat angepasst. Grüntöne fehlen völlig. Untersuchungen der Pholidose und der Zeichnungsvariabilität belegen, dass es sich bei diesen Tieren um die Nominatform Podarcis muralis muralis handelt (STEINICKE 2000). Unklar ist die Herkunft dieser Mauereidechsen. Eine Aussetzung scheint aber unter den gegebenen Umständen wahrscheinlich.
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Adultes Männchen
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Adultes Männchen
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Während unseres Aufenthaltes hatten wir nur Mauereidechsen beobachten können. Laut RICHTER 1994 kommt im Bereich des Steinbruchs auch noch die Zauneidechse (mit einem Anteil von ca.1/3 rotrückiger Tiere) vor. In der Diplomarbeit von HENNING STEINICKE 2000 wurden als weitere Vertreter der Reptilien noch die Ringelnatter (Natrix natrix) und die Blindschleiche (Anguis fragilis) genannt.
Literatur:
RICHTER, KLAUS, 1994: DIE EIDECHSE, Jahrgeng 5 Heft 11, Eine neue Population der Mauereidechse (Podarcis muralis) bei Leipzig (Sachsen), Seite 8-10.
STEINICKE, HENNING, 2000 (Diplomarbeit): Ökologische Untersuchungen an einer isolierten Population der Mauereidechse, Podarcis muralis (LAURENTI, 1768) bei Leipzig.
Nachtrag (07.07.2006)
Ergänzende Informationen bezüglich des Vorkommens
Bilder und Informationen von DETLEF WOLTER
Bisher war bei Ammelshain nur der größte der drei Steinbrüche als Mauereidechsenstandort bekannt. Bei einer Untersuchung dieser Population im Rahmen einer Diplomarbeit ( STEINICKE, HENNING, 2000: Ökologische Untersuchungen an einer isolierten Population der Mauereidechse, Podarcis muralis (LAURENTI, 1768) bei Leipzig.) konnten in den beiden anderen Steinbrüchen keine Mauereidechsen nachgewiesen werden. Diese beiden kleineren Steinbrüche sind ebenso wie der große Steinbruch mit Grundwasser vollgelaufen und werden zum größten Teil von senkrechten Steilwänden umsäumt. Vor Kurzem haben wir jedoch Informationen über ein weiteres Vorkommen auch im mittleren dieser drei Steinbrüche erhalten. Die Mauereidechsen leben hier im Bereich der südlich exponierten senkrechten Steilwände. Nachfolgend einige Aufnahmen von diesem Fundort.
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Mauereidechsenhabitat an der Steilwand im mittleren Steinbruch
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Nachtrag (15.08.2013)
Ergänzende Informationen bezüglich der Populationsgröße
Bilder und Informationen von JOHNS SCHULZ
Am 09.08.2013 besuchte ich den großen der drei Steinbrüche bei Ammelshain. Als ich um 7 Uhr dort ankam war es für die Suche nach Eidechsen noch zu kühl und so wartete ich, bis um ca. 8 Uhr die Sonne hinter den Bäumen hervor kam. Bei jetzt guten Wetterbedingungen observierte ich den süd- bis südöstlich exponierten Bereich im hinteren Teil des Steinbruchs, in dem die Mauereidechsen-Population einst entdeckt wurde. Zwischen 8 und 12 Uhr bin ich dort etliche Male an der Abbruchkante bis hin zum Schilfhang entlang gelaufen. Ich habe mich sogar über die Kanten gehangelt und mit dem Fernglas die Steilwände abgesucht, aber es waren nur sehr wenige Eidechsen zu sehen. Insgesamt konnte ich hier nur 9 Mauereidechsen entdecken. Selbst ca. 15 m im Wald gelegene, bemooste und gut beleuchtete Steinkuhlen waren leer. Angesichts der wenigen Funde habe ich den Eindruck gewonnen, dass die aktuelle Populationsgröße weit unter den Schätzungen vergangener Jahre liegt. So schätzte RICHTER 1994 die Population auf 150 – 200 Tiere, STEINICKE 2000 errechnete eine Mindestgröße von 476 Tieren und in einem Internet-Artikel der NABU Sachsen aus dem Jahr 2011 wird ohne Quellenangabe sogar von ca. 1000 Tieren berichtet.
Ob die geringe Bildausbeute an diesem Tag nun tatsächlich das Ergebnis eines starken Rückgangs der Populationsgröße darstellt oder ob andere Umstände dafür verantwortlich waren, müsste noch überprüft werden.
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Nachtrag (1.10.2013)
Anmerkungen zum Rückgang der Populationsgröße im Jahr 2013
von GUNTRAM DEICHSEL
Die von JOHNS SCHULZ festgestellte geringe Beobachtungsdichte im August 2013 dürfte eine Folge des um 4 Wochen verlängerten Winters 2012-13, gefolgt von einem nasskalten Frühjahr bis etwa Mitte Juni sein. Diese ungewöhnliche Witterungssituation war für wechselwarme Tiere hochselektiv. Es wird übereinstimmend berichtet, dass andere Eidechsenstandorte in Deutschland im Jahr 2013 ebenfalls Bestandseinbußen hinnehmen mussten. Die von mir überwachten Zaun- und Mauereidechsenvorkommen in Baden-Württemberg verzeichnen für 2013 Rückgänge auf 50% bis teilweise unter 25% der Bestandsgrößen von 2012. Bei günstigen Witterungsbedingungen dürften sich insbesondere Mauereidechsenbestände rasch wieder zu früheren Bestandsgrößen auffüllen. Ich erwarte dies auch für den Steinbruch Ammelshain und bin auf die Entwicklung in 2014 und 2015 gespannt.
Nachtrag (08.09.2016)
Ergänzende Informationen bezüglich des Vorkommens
Bilder und Informationen von DETLEF WOLTER
Ich habe ein paar freie Tage genutzt, um mich mal wieder in Ammelshain umzusehen. Am 18.08.2016 war ich am späten Nachmittag dort und habe mal wieder den kleineren Steinbruch besucht. Ich kann nicht unbedingt bestätigen, dass die Population geschrumpft ist. Es gibt einige Tiere an den Steilwänden. Was mir aufgefallen ist, dass es auch viele Mauereidechsen am Rande im Wald gibt, dort scheinen sie mehr oder weniger paarweise zu leben. Es gab auch eine ganze Menge Jungtiere von diesem Jahr.
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Mauereidechsenhabitat an der Steilwand im mittleren Steinbruch
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